Veränderung des Bewusstseins durch Meditation
Dein jetziges Bewusstsein ist das Ergebnis einer biologischen, einer kulturellen und einer individuellen Entwicklung. Du siehst diesen Text mit Augen, die sich über einen sehr langen Zeitraum biologischer Evolution entwickelt haben. Das Lesen von Texten ist eine Kulturtechnik, die Dir als Teil einer zivilisierten Gesellschaft schon früh vermittelt wurde. So früh, dass Du diese Sätze mühelos lesen kannst und Dir kaum mehr bewusst ist, wie Deine Augen über die Zeilen gleiten und Du innerlich die Worte sprichst und deren Bedeutung entschlüsselst.
Entwicklung liegt in unserer Hand
Die individuelle Entwicklung von der Eizelle zu dem menschlichen Organismus, der Du in diesem Augenblick bist, ist in ganz erheblichem Ausmaß von biologischen und kulturellen Einflüssen bestimmt. Dennoch liegt diese Entwicklung immer auch in Deiner eigenen Hand. Du entscheidest im Laufe dieser Entwicklung zunehmend selbst über die Aktivitäten und Inhalte Deines Bewusstseins. Das Ausmaß Deiner persönlichen Freiheit und Selbstbestimmung hängt davon ab, wie bewusst Du Dir bist.
Raus aus dem Autopiloten … rein ins Bewusstsein
Ein Großteil unseres alltäglichen Verhaltens erfolgt nahezu automatisch, im Autopilot, und damit weitgehend unbewusst. Wir reagieren auf sich wiederholende Situationen mit angelegten und erlernten Verhaltensweisen, aber eben nicht bewusst.
Meditation dient dazu, uns unseres Bewusstseins und Handelns bewusst zu werden, das Bewusstsein zu erweitern und sich so von eingefahrenen Denkmustern und Verhaltensweisen zu lösen.
Die Bewusstseinserweiterung durch Meditation umfasst die erweiterte Wahrnehmung körperlicher und geistiger Prozesse sowie diese Prozesse auch verändern zu können.
Wenn Du Dir z.B. Deine jetzige Körperhaltung bewusst machst, kannst Du feststellen, wie aufrecht und wie entspannt Du bist. Ob Deine Haltung bequem ist oder nicht. Und Du kannst diese Haltung gegebenenfalls verändern.
Dieser Bewusstwerdungs- und Veränderungsprozess lässt sich nicht nur auf den Körper anwenden. Ebenso auf emotionale Reaktionsmuster, Gefühle und auf das Denken. Darüber hinaus können in der Meditationspraxis auch außergewöhnliche Bewusstseinszustände auftreten, die eine neue Sicht auf die Realität und der eigene Person eröffnen.
Eine Landkarte potentieller Bewusstseinsveränderungen
Eine wissenschaftliche Untersuchung von Harald Piron ergab, dass sich die Erfahrungen von Meditierenden tatsächlich entlang tieferer Dimension entfalten. Er untersuchte klassische Texte buddhistischer, christlicher, hinduistischer und daoistischer Traditionen, die eine Abfolge von Stufen zunehmender Vertiefung im Verlauf der Meditationspraxis beschreiben.
Anschließend bat er vierzig Meditationslehrer und -lehrerinnen, eine Reihe typischer Erfahrungen hinsichtlich ihrer jeweiligen Tiefe einzustufen. Bei den Befragten handelte es sich um autorisierte Lehrende verschiedener Traditionen mit mindestens zwanzig Jahren eigener Meditationspraxis und zehn Jahren Lehrtätigkeit.
Die Urteile dieser Experten zeigten ein sehr hohes Maß an Übereinstimmung, so dass die Erfahrungen in fünf Bereiche unterschiedlicher Tiefe zugeordnet werden konnten:
- Hindernisse:
Unruhe, Langeweile, Motivations-/ Konzentrationsprobleme - Entspannung:
Wohlbefinden, ruhige Atmung, wachsende Geduld, Ruhe - Konzentration:
Achtsamkeit, kein Anhaften an Gedanken, innere Mitte, Leichtigkeit, Einsichten, Gleichmut, innerer Frieden - Essentielle Qualitäten:
Klarheit, Wachheit, Liebe, Hingabe, Verbundenheit, Demut, Gnade, Dankbarkeit, Selbstakzeptanz - Nicht-Dualität:
Gedankenstille, Einssein, Leerheit, Grenzenlosigkeit, Transzendenz von Subjekt und Objekt
Diese fünf Tiefenbereiche liefern eine grobe Landkarte der potentiellen Bewusstseinsveränderungen durch Meditation. Vielleicht nimmst Du Dir einen Moment Zeit und gehst diese Liste der Begriffe einzeln durch.
Welche dieser genannten Erfahrungen sprechen Dich an?
Welchen misst Du eine hohe Wertschätzung zu?
Welche strebst Du vielleicht sogar an?
Ziele können Hindernisse werden
Sich die eigene Motivation bewusst zu machen, ist ein wichtiger Schritt beim Beginn der Meditationspraxis. Aber Vorsicht: Die Fixierung auf ein Ziel kann leicht zum Hindernis werden, welches dann zwischen Dir und der gewünschten Erfahrung steht.
Wenn Du z.B. ungeduldig darauf wartest, wann sich denn nun endlich die Ruhe einstellt! – Nicht umsonst sind am Anfang die typischen Hindernisse aufgeführt, mit denen die meisten Meditationsanfänger – und auch viele Fortgeschrittene – immer wieder zu kämpfen haben.
Besser als sich zur Meditation hinzusetzen, um ein Ziel zu erreichen, ist es, mit der Meditationspraxis einen Raum zu schaffen, in dem Entwicklung und Erfahrungen (immer wieder neu) entstehen können.
Nur sitzen, Aufmerksamkeit halten, wahrnehmen. Das ist der Anfang.
Inhalt angelehnt an Ulrich Ott, Meditation für Skeptiker, eigene Ergänzungen