Täglich meditieren – Ist das notwendig? Soll ich das tun? Das kostet ja Zeit. Und Überwindung. In dieser Zeit könnte ich so viele andere Dinge tun. Und was bringt es am Ende? Also nochmals: Täglich meditieren, ist das wirklich notwendig? – Die Frage kommt oft.
Gegenfrage: Ist tägliches Zähneputzen notwendig? – Mhm. Die meisten von uns tun das. Es ist eine Gewohnheit. Wir denken darüber nicht jeden Tag nach, treffen keine bewusste Entscheidung zum Zähneputzen. Wir haben das als Kind gelernt und tun es heute in der Regel ohne darüber nachzudenken. Wenn wir darüber nachdenken, zum Beispiel weil ein Zahnarztbesuch bevorsteht oder wir Zahnschmerzen haben, dann kommen wir schnell zur Überzeugung, dass Zähneputzen eine gute Sache ist.
Es hilft uns unsere Zähne gesund zu erhalten. Es ist Teil unserer körperlichen Hygiene. Und wenn wir es einmal vergessen, dann setzen wir mit dieser Praxis bei nächster Gelegenheit, zum Beispiel am nächsten Morgen, wieder ein.
Ist meditieren wie Zähneputzen?
Ja. Auf eine gewisse Art schon. Wenn wir Zähne nicht putzen, dann schadet das unseren Zähnen und wir haben einen schlechten Geschmack im Mund. So ist es mit der täglichen Meditation. Meditation hilft uns, unseren Geist „sauber“ und gesund zu halten. Ist eine regelmäßige Meditationspraxis etabliert und wir versäumen sie, dann entsteht analog zum vergessenen Zähneputzen ein „schlechter Geschmack“ in unserem Geist.
Das heißt natürlich nicht, dass dieser „schlechten Geschmack“ im Hirn erst entsteht, wenn wir das täglich Meditieren vergessen, diese Praxis unterbrechen. Ohne die Praxis ist dieser Geschmack ständiger Zustand. Weil wir es aber nicht besser kennen, bemerken wir es nicht.
Und umgekehrt ist das auch richtig. Haben wir erst einmal eine regelmäßige Meditationspraxis etabliert, dann bemerken wir auch, wie sich ein „frischer Atem“ und Gesundheit im Geist bzw. Gehirn anfühlt. Täglich meditieren bringt mehr Ruhe, Bewusstheit, Klarheit und Gelassenheit in unser Leben. Es trägt zur mentalen Hygiene bei.
Wie schaffe ich es, täglich meditieren zur Gewohnheit werden zu lassen?
Am Anfang ist das Einüben einer neuen Gewohnheit mit Hindernissen verbunden und erfordert ein wenig Disziplin. So wie auf einer Wiese ein neuer Weg dadurch entsteht, dass wir ihn ein erstes Mal gehen. Und ein zweites Mal. Beim dritten Mal erkennen wir bereits erste Spuren. Es beginnt sich ein kleiner Trampelpfad zu bilden. Gehen wir weiter auf diesem, dann entsteht daraus erst ein schmaler, dann ein solider, breiter Weg auf dem wir gut und sicher unterwegs sein können.
Dieses Beispiel ist übrigens eine gute Analogie, wie wir Gewohnheiten erlernen und was sich im Gehirn dabei tut. Neues Tun bildet im Gehirn neue Bahnen, neue Verbindungen einzelner neuronaler Netzwerke. Das Wiederholen des Neuen wird dadurch leichter und zur Gewohnheit, indem diese neuen Verbindungen im Gehirn dicker und stärker werden. So formt sich eine neue Gewohnheit durch physische Veränderungen im Gehirn (Neuroplastizität).
Die ersten Male mit der täglichen Meditation erfordern – wie bei den ersten Überquerungen der Wiese – Neugier, den Entschluss etwas Neues zu tun, Dranbleiben und auch Durchhaltevermögen. Dranbleiben lohnt! Und es entwickelt sich eine neue Praxis.
Täglich meditieren – Wie kann ich mich dabei unterstützen?
Einen guten Platz finden
Wähle zunächst einen geeigneten Ort für deine regelmäßige Meditation. Es kann überall dort sein, wo du leicht und ungestört sitzen kannst: in einer Ecke deines Schlafzimmers oder an einem anderen ruhigen Ort in deinem Haus. Platziere dort ein Meditationsbänkchen, ein Meditationskissen oder einen Stuhl. Am Anfang kann dieser Platz auch einfach die Bettkante sein. Ordne das, was um dich herum ist, so an, dass es dich an deine Meditationspraxis erinnert. Es darf sich wie ein friedlicher Raum anfühlen. Schaffe dir diesen Platz als deinen Platz.
Die passende Zeit
Wähle dann eine Zeit für die Meditation aus, die zu deinem Zeitplan und deinem Temperament passt. Wenn du ein Morgenmensch bist, experimentieren mit einem Sitzen vor dem Frühstück. Nach dem Aufstehen ist unser Geist oft noch nicht so angefüllt.
Wenn der Abend besser zu deinem Temperament oder Zeitplan passt, versuche das zuerst. Beginne mit zehn oder zwanzig Minuten. Später kannst du länger oder häufiger sitzen. Wähle aber bewusst eine Zeitdauer aus und halte diese durch. Eine Haltung wie „Ich fange mal an und dann werde ich sehen, wie lange es geht“ ist nicht empfehlenswert. Da dauert es nicht lange bis sich die Widersacher melden mit Gedanken wie „Langweilig“ oder „Es wird jetzt schon genug sein“.
Täglich meditieren kann dann wie Baden oder Zähneputzen werden. Es kann eine regelmäßige Reinigung und Beruhigung von Körper, Herz und Geist bewirken. Eben zu unserer mentalen Hygiene beitragen.
Die richtige Sitzposition
Nimm dann eine Haltung ein, die dich fest, stabil und vor allem aufrecht sitzen lässt. Es ist von großem Vorteil, wenn du dir das von jemandem mit Erfahrung zeigen lässt. Das macht es dir sehr viel leichter.
Spüre dann zuerst in deinen Körper. Nimm wahr, was sich da gerade zeigt. Ohne den Impulsen zu folgen, dies verändern zu müssen oder es als „gut“, „schlecht“, „angenehm“ oder „unangenehm“ bewerten zu müssen. Es gibt an dieser Stelle nichts zu erreichen. Nur sitzen, wahrnehmen und auf die Situation einlassen.
Den Atem zur Hilfe nehmen
Bringe dann deine Aufmerksamkeit auf die Empfindungen deiner Atmung. Nimm ein paar tiefe Atemzüge, um zu spüren, wo du den Atem heute am leichtesten spüren kannst, als Kühle oder Kribbeln in den Nasenlöchern oder im Rachenraum, als Bewegung der Brust, oder Heben und Senken der Bauchdecke.
Lass dabei deinen Atem ganz natürlich fließen. Spüre die Empfindungen deiner natürlichen Atmung im Körper. Auch hier: beobachten, wahrnehmen. Es gibt nichts zu erreichen. Nimm wahr, mit welchen Empfindungen im Körper Atmen verbunden ist. Wie sie kommen und gehen.
Mit Gedanken umgehen
Nach ein paar Atemzügen wird dein Geist wahrscheinlich anfangen umherzuwandern. Wenn du das bemerkst, egal wie lange oder kurze Zeit du „weg“ warst, komme einfach zum nächsten Atemzug zurück.
Der Moment, in dem du bemerkst, dass deine Aufmerksamkeit vom Atem hin zu Gedanken weggeführt wurde, dieser Moment ist sehr wertvoll. In diesem Moment bist du dir sehr bewusst darüber, wo gerade deine Aufmerksamkeit ist (bei einem Gedanken).
In dieser Bewusstheit nimmst du wahr, dass du nicht mehr beim Atmen bist und kannst dann – sehr freundlich mit dir selbst – zum Atem zurückkehren. Vielleicht bis der nächste Gedanke deine Aufmerksamkeit wieder wegführt. Wenn du dir dann dessen auch wieder bewusst wirst, kannst du auch dann wieder zum Atem zurückkehren. Genau das ist deine Übung am Anfang.
Während du sitzt, lass deinen Atem ganz natürlich fließen. Ganz gleich ob er heute kurz oder lang, schnell oder langsam, tief oder oberflächlich, rau oder weich ist. Erlaube dir, dich in jeden Atemzug hinein zu entspannen. Wenn dein Atem weich wird, lass deine Aufmerksamkeit sanft und vorsichtig werden, so weich wie der Atem selbst.
Eine Gewohnheit etablieren – Den Geist trainieren
So wie man einem jungen Welpen beibringt, gemeinsam in der Natur mit allen ihren interessanten Ablenkungen für den jungen Hund zu gehen – man muss seine Aufmerksamkeit immer wieder zurückholen –, so können wir unseren Geist trainieren.
Im Laufe der ersten Tage und Wochen wirst du allmählich lernen, dich mit dem Atem zu beruhigen und zu konzentrieren.
Es wird viele unterschiedliche Zyklen in diesem Prozess geben, stürmische Tage im Wechsel mit klaren Tagen. Bleib einfach dabei. Wenn du tief zuhörst, wirst du feststellen, dass Achtsamkeit, die sich im Atmen entwickelt, hilft, dich mit deinem ganzen Körper und Geist zu verbinden und den Geist zu beruhigen.
So wichtig die eigene Praxis ist in der man auf sich alleine gestellt ist. So hilfreich ist für die meisten auch das gemeinsame Sitzen in einer Gruppe. Das ist sehr unterstützend für die eigene Praxis.
„Die ersten Schritte sind wertlos, wenn der Weg nicht zu Ende gegangen wird.“ (Adi Shankara, indischer Philosoph des 9 Jhd.).
Täglich meditieren – so kannst du deine eigene Meditationspraxis entwickeln.