Selbstwirksam bleiben ist eine wichtige Kompetenz, nicht nur aber auch gerade in der Corona-Zeit. Erkennen, was man selbst immer noch beeinflussen und für sich bestimmen kann – eben selbstwirksam sein, die eigene Handlungsfähigkeit spüren – spielt eine große Rolle wie wir durch diese Zeit gehen. Ein richtiges Mindset dafür ist besonders wichtig.
Zweifellos ist dies eine herausfordernde Zeit für Menschen auf der ganzen Welt. Die Auswirkungen reichen vom Virus selbst, der Angst infiziert zu sein, sozialer Distanzierung („social distancing“), dem Schutz und der guten medizinischen Versorgung der Kranken, der eigenen Arbeit, dem Nicht-Arbeiten, der Angst vor dem Unbekannten.
Es ist schwer, eine Person zu finden, die nicht in irgendeiner Weise betroffen ist. Viele empfinden eine überwältigende Erfahrung, ein Gefühl der Hilflosigkeit und Angst vor dem Unbekannten und vor der Ungewissheit. Vor dem was in unserer direkten Umgebung und weltweit geschieht.
Selbstwirksamkeit – machtvoll oder machtlos
Wir können nicht auf alles Einfluss nehmen. Andererseits sind wir aber auch nicht komplett machtlos und ohne Einfluss. Dies gilt es, sich immer wieder bewusst zu machen. Worauf kann ich direkt Einfluss nehmen – selbstwirksam sein? Welche Bereiche kann ich mittelbar, vielleicht gemeinsam mitanderen, steuern, gestalten, beeinflussen? Und wo endet mein eigener Einfluss – was muss ich als gegeben akzeptieren?
Sich diese Unterscheidung immer wieder vor Augen zu führen ist wichtig. Denn sie macht uns auf der einen Seite klar, dass wir eben nicht vollkommen ausgeliefert sind. Es gibt Bereich, die wir sehr wohl für uns selbst gestalten können. Sich dieser Handlungsfelder bewusst zu machen, bringt uns in eine machtvolle, selbstwirksame Position und bringt uns aus einer machtlosen Einschätzung heraus.
Das richtige Mindset
Es gibt hilfreiche Geisteshaltungen („Mindsets“) und weniger hilfreiche, um gut mit sich und der Situation zurechtzukommen. Beide zu erkennen und voneinander zu unterscheiden ist ein erster guter Schritt für mehr Selbstwirksamkeit in der Krise.
Dem Gehirn eine Pause gönnen
Es gibt einen Teil des Gehirns, die Amygdala, der ständig auf der Suche nach potenziellen Gefahren ist. Es ist gut, ein solches Gefahrenradar zu haben. Es beschützt uns. Ist aber auch so gestaltet, dass es lieber einmal zu oft Alarm auslöst als einmal zu wenig, was auch zu Fehlalarmen führt, die uns aber auch in einen Krisen-Modus, in Stress versetzen.
Während einer Krise kann es sein, dass unser Gefahrenradar ständig Alarm auslöst, aktiv und überlastet ist. Wir sind dann ständig im Kampf-, Flucht- oder Todstellmodus. Geflutet mit den Aktivitäts- bzw. Stress-Hormonen Adrenalin und Cortisol. Dies sind zwar notwendige Abwehrmechanismen, die unser Körper zur Unterstützung unseres Überlebens benötigt, aber eine längere oder lange andauernde Überlebensreaktion ist ungesund für Körper und Geist.
Gönne dem Gehirn eine Pause, indem du alarmauslösende Situationen meidest. Das sind vor allem Nachrichten und Meldungen in den sozialen Medien. Es reicht aus, sich einmal am Tag über die aktuelle Lage zu informieren. Das muss – und sollte nicht – stündlich geschehen. Wir müssen uns nicht andauern mit neuesten Meldungen aus allen Winkel der Welt konfrontieren.
Stattdessen sollte es Zeiten am Tag geben, wo wir anderen Emotionen bewusst einen Raum geben, in denen wir Freude, inneren Frieden, Liebe, Überraschung und Begeisterung zulassen. Du kannst einen lustigen Film ansehen, einen leichten Roman lesen, zu deiner Lieblingsmusik tanzen oder sogar zu genialen Geschäftsideen brainstormen.
Für sich selbst gut sorgen
Natürlich ist die Selbstfürsorge mit ganz elementaren Dingen wichtig. Sich selbst und die eigenen Bedürfnisse wichtig nehmen. Nach draußen gehen, frische Luft, den Wind oder die Sonne im Gesicht spüren und sei es vielleicht nur auf dem Balkon oder am Fenster. Gut essen mit Nahrungsmitteln, die einem gut tun. Und auch Bewegung. Das geht auch in der Wohnung. Das alles stärkt nicht nur das Immunsystem, es lässt uns auch die Bereiche erleben, in denen wir unser Leben selbst steuern, selbstwirksam und eben nicht hilflos und ausgeliefert sind.
Anderen helfen
Anderen zu helfen, hilft deinem Geist. Wenn wir anderen helfen, uns um andere kümmern, dann ist das eine Geisteshaltung, die auch auf uns selbst wirkt. Ein solcher Mindset ist sogar sehr effektiv in Bezug auf unser eigenes Wohlergehen und dem Gefühl von Selbstwirksamkeit.
Corona hat bei vielen Menschen eine große Sorge um ihr eigenes Wohlergehen und das Wohlergehen anderer hinterlassen. Konzentriere dich also nicht nur auf die eigene Selbstversorgung, sondern auch darauf, wie du anderen helfen kannst. Es gibt viele Kleinigkeiten, die man initiieren und damit anderen zur Seite stehen kann. Das bringt ein großes Gefühl von Sinn und Erfüllung.
Im Kontakt bleiben
Social Distancing muss nicht heißen keinen Kontakt zu haben. Physische Distanz muss nicht soziale Distanz und Isolation bedeuten. Mit anderen in Verbindung zu bleiben ist mehr als die Facebook-Seiten durchzublättern. Mit Telefon und Email im Kontakt mit anderen bleiben, vielleicht mit Menschen, mit denen du lange keinen Kontakt hattest. Oder schreibe einen Brief (das sind die beschriebenen Blätter Papier, die man in einen Umschlag und dann in diese gelben Kästen steckt, die noch hier und da herum hängen). Und die technischen Medien erlauben uns mittels Skype, Zoom, Facetime und Co. auch per Video live im Kontakt zu anderen zu sein. Das ist nicht so schwer.
Erreiche andere Menschen. Finde heraus, wie es ihnen physisch und mental/emotional geht.
In der Gegenwart sein
Führe dein Gehirn, deinen Geist immer wieder in die Gegenwart, ins Jetzt zurück. Präsent zu sein ist der Kern von Achtsamkeit.
Ein Teil unserer menschlichen Überlebensreaktion besteht darin, Bedrohungen wahrzunehmen und vorherzusagen. Bei der Fülle an Informationen (Experten, Nachrichten, Breaking News, Statistiken, …) über die aktuelle Corona-Pandemie und noch mehr Vorhersagen darüber, was in der Zukunft kommen könnte, ist es kein Wunder, dass viele Menschen in Panik geraten. Wenn unsere Gedanken in die Zukunft wandern, sind wir nicht im gegenwärtigen Moment, der sich mit der Realität auseinandersetzt.
Unser Gehirn informiert unseren Körper darüber, womit es gerade beschäftigt ist. Wenn wir also viel Zeit damit verbringen, uns auf das schlimmste Szenario der Zukunft zu konzentrieren, beginnt unser Körper eine physiologische Reaktion zu zeigen, als ob dieses Szenario gerade jetzt passiert. Das heißt, wenn du dir Sorgen machst, dass dies das Ende der Welt sein könnte, dann beginnst du, dich so zu fühlen und dich so zu verhalten, als ob die Welt jetzt endet.
Der Kniff besteht also darin, dies zu erkennen, diese Überlebensstrategie als das anzuerkennen, was sie ist (eine Sorge oder Vorhersage) und was sie nicht ist (die gegenwärtige Realität). Und dann sich auf das ausrichten, was tatsächlich jetzt geschieht. Hast du zum Beispiel heute etwas zu essen? Hälst du jetzt die empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen ein? Tust du die Dingen um, über die du die Kontrolle hast? Und vertrauen darauf, dass du bei allem, was auf dich zukommt, präsent bist und da auch immer Bereiche sind, wo du selbstwirksam sein kannst.
Dein Mindset beeinflusst nicht nur das, was du gerade erlebst, was du an Erfahrung machst, es beeinflusst auch deine Entscheidungen. Über den Corona-Virus selbst haben wir wenig Kontrolle. Wie wir damit umgehen, wie wir agieren und reagieren, wie wir auf unsere Situation schauen, das ist unsere eigene Sache. Hier können wir selbst entscheiden, Einfluss nehmen, selbstwirksam sein.