Schwierigkeiten: Wir alle kennen sie. Wir begegnen ihnen täglich, und meistens sehen wir sie als etwas Unangenehmes, Störendes, das wir schnellstmöglich loswerden wollen. Doch im Zen finden wir eine überraschende Sichtweise: Schwierigkeiten sind keine Hindernisse, sondern wertvolle Übungsfelder. Sie sind Möglichkeiten – für Wachstum, für Erkenntnis und für die Kultivierung von Achtsamkeit.
Schwierigkeiten sind gute Nachrichten
Ein Zen-Meister sagte einmal: „Der Pfad zeigt sich oft genau dort, wo wir nicht weiterwissen.“
Schwierigkeiten – das können kleine Dinge im Alltag sein: der Ärger über das Verhalten eines Kollegen, das Aufschieben einer wichtigen Aufgabe, das Verpassen einer neuen Gewohnheit, wie der täglichen Meditation. Oder es sind größere Herausforderungen: Konflikte, Misserfolge oder die Angst vor dem Unbekannten.
Was wäre, wenn wir genau in diesen Momenten innehalten würden?
Der Moment des Bemerkens
Nehmen wir Hans als Beispiel. Hans hat sich vorgenommen, jeden Morgen zu meditieren. Anfangs läuft es gut, er fühlt sich motiviert und zufrieden. Doch dann kommt etwas dazwischen: Eine Reise, ein voller Kalender, ein spontaner Besuch. Ehe er sich versieht, hat er seine Routine unterbrochen und fühlt sich schlecht.
Seine Reaktion? Selbstkritik, Schuldgefühle, Ablenkung. Vielleicht kennst du das aus deinem eigenen Leben: Ein Moment des „Versagens“, und plötzlich läuft ein altbekanntes Programm ab. Doch genau hier öffnet sich das Übungsfeld.
Denn was Hans hier erlebt, ist keine schlechte Nachricht. Im Gegenteil: Es ist der beste Moment für Übung und Wachstum. Es ist der Moment des Bemerkens – der Augenblick, in dem er erkennt, was geschieht.
Was passiert, wenn wir in diesem Moment innehalten? Statt in den gewohnten Mustern zu verharren, können wir eine Wahl treffen:
- Statt Selbstkritik – Freundlichkeit uns selbst gegenüber.
- Statt Ablenkung – das mutige Hinsehen, was gerade geschieht.
- Statt Vermeidung – das Üben von Geduld, Achtsamkeit, Gelassenheit.
Schwierigkeiten als Lehrer: Eine praktische Übung
Das nächste Mal, wenn du dich in einer Schwierigkeit wiederfindest, probiere Folgendes:
- Pause | Halte inne, bevor du reagierst. Atme tief durch.
- Bemerke | Was genau geschieht gerade? Welche Gedanken, Gefühle oder Körperempfindungen tauchen auf?
- Begrüße | Begrüße alles, was du wahrnimmst, wie einen guten Freund. „Ah, da ist Ärger. Da ist Unbehagen.“
- Wähle | In diesem Raum der Klarheit hast du die Möglichkeit, eine andere Reaktion zu wählen. Was würde Freundlichkeit oder Neugier jetzt tun?
Vielleicht bemerkst du in diesem Prozess auch eine gewisse Neugier: Was zeigt mir diese Schwierigkeit über mich selbst?
Ein Raum für Veränderung
Die Zen-Praxis erinnert uns daran, dass jeder Widerstand, jedes Unbehagen ein Tor sein kann. Statt gegen die Schwierigkeiten anzurennen, können wir sie als Lehrer begreifen. Sie laden uns ein, wach zu bleiben – inmitten des Sturms.
Ein Zen-Meister würde sagen: „Die Schwierigkeit selbst ist die Übung. Der Widerstand selbst ist der Weg.“
Eine Reflexionsfrage für dich
Nimm dir einen Moment und frage dich:
„Was ist heute mein Übungsfeld? Welche Schwierigkeit zeigt sich, und wie kann ich sie als Gelegenheit sehen, zu üben?“
Vielleicht ist es der Moment des Ärgers über jemanden. Vielleicht eine aufkommende Unsicherheit oder das Gefühl, nicht zu genügen. Lass es da sein. Atme bewusst zwei, drei Atemzüge. Und frage dich: „Wie möchte ich jetzt reagieren?“
Schwierigkeiten sind keine schlechten Nachrichten. Sie sind Einladungen. Einladungen, uns zu erinnern, innezuhalten und bewusst zu werden.
Was passiert, wenn wir anfangen, sie willkommen zu heißen?