Harmonie, Respekt, Klarheit, Stille

Harmonie, Respekt, Klarheit, Stille

Harmonie, Respekt, Klarheit, Stille sind die vier Prinzipien in der Teezeremonie, die ganz wesentlich vom Zen des 16. Jahrhunderts geprägt ist. Es lohnt, diese Prinzipien näher anzuschauen und wie sie zusammenhängen. Es geht dabei um viel mehr als „nur“ um Tee.

Chado – Der Tee-Weg

Wa, Kei, Sei, Jaku bedeuten Harmonie, Respekt, Klarheit und Stille. Das sind die vier Grundsätze des Tee-Wegs, des Chado, wie sie vom Tee-Meister Sen No Rikyu (1522-1591) hinterlassen wurden. Der Tee-Weg ist eine Kulturpraxis, man könnte auch sagen eine Übung, bei der Tee zubereitet, einem oder mehreren Gästen serviert und gemeinsam getrunken wird. Er ist vom Zen geprägt und basiert auf den vier genannten Prinzipien. Ziel der Praxis ist es, diese Prinzipien zu erfahren und nach viel Übung in das eigene Leben zu integrieren.

Zen in der Tee-Zeremonie

In der Tee-Zeremonie werden viele Elemente des Zen abgebildet. Die Teilnehmer – Gastgeber und Gäste – üben Achtsamkeit, Respekt, Verbundenheit, Herz und Stille. Dabei steht der Tee selbst für das Wesentliche, für die Essenz, die Teeschalen für die Form. Jeder hat zu Beginn eine leere Schale vor sich und erhält vom Teegeber den Tee, das Wesentliche, der die leere Form füllt.

Teemeister Sen No Rikyu – Harmonie, Respekt, Klarheit, Stille

Die Tradition des Tee-Wegs ist sehr viel älter als Sen No Rikyu. Er hat diese Kulturform, diese Kunst oder auch diese Übung im Zen dennoch auf eine neue Stufe gestellt. Ganz wesentlich dabei sind Harmonie, Respekt, Klarheit und Stille, die er als Leitlinien in der Tee-Zeremonie und darüber hinaus für das Leben, benannt hat.

Diese Prinzipen stehen nicht nebeneinander. Sie stehen miteinander in Verbindung und waren Sen No Rikyu so wichtig, dass er dafür sein Leben gegeben hat.

Rikyu war nicht nur Tee-Meister. Er war auch ein sehr angesehener Berater eines der mächtigsten Kriegerfürsten und späteren Shoguns in seiner Zeit. Es war eine Zeit eines langen Bürgerkriegs. Eine gefährliche, unruhige Zeit mit sehr vielen Umwälzungen, Gefahren, Unsicherheit und Gewalt.

Dieser Kriegsherr hatte den Plan, das Nachbarland anzugreifen. Als sein Berater riet ihm Rikyu davon ab. „Wenn Du das tust, schaffst Du viel Leid und Elend und es führt zu nichts.“ Aus seiner Sicht verletzte dieser Plan die Prinzipien von Harmonie, Respekt, Klarheit, Stille. – Der Kriegerfürst verurteilte Rikyu daraufhin zum rituellen Selbstmord.

Es kam zu einem letzten gemeinsamen Tee in Rikyus Teehaus. Als der Kriegsherr das Teehaus betrat, fiel sein Blick auf einen blühenden Kirchzweig, der an der Wand vor einer Kalligrafie hing. In diesem Moment rieselten einige der Blütenblätter in eine Schale darunter. Er wurde sich dieses Augenblicks gewahr und nahm das Todesurteil zurück.

Doch Rikyu akzeptierte dies nicht: „Du wirst Korea trotzdem angreifen. Und mit meinem Tod setzte ich ein Zeichen dafür, dass das falsch ist.“ Er sah die vier Prinzipien Harmonie, Respekt, Klarheit, Stille verletzt. Rikyu ging in den Tod.

Stille

Die Stille (Jaku) bildet dabei den festen Boden. Die Voraussetzung diese Prinzipien wirklich zu verstehen, ist die Übung von Zazen. Gerade wenn äußere Dinge Menschen dazu bringen, aus ihrer Mitte zu gehen, ist die Meditation, das Zazen, der Weg in die Stille.

Während Stille einerseits das Ziel ist, ist es andererseits auch wieder der Anfang. Ein wahrer Meister erreicht diese höchste Stufe und beginnt dann, die Ideale von Harmonie, Respekt und Klarheit in die Praxis umzusetzen. An diesem Punkt können die unendlichen Möglichkeiten des Lebens verwirklicht werden.

In der Stille können wir erkennen, was die Wirklichkeit unseres menschlichen Seins ist. In der Stille findet sich die Voraussetzung zum Erkennen des Urgrunds des Seins, der alles umfasst, was ist. In dem alle Gegensätze, alles was wir sehen, wahrnehmen, Betrachter und betrachtetes Objekt zusammenfallen. Die Stille ist das Stillwerden dieses plappernden, bewertenden und unterscheidenden Geistes.

Es ist diese Stille von dem innerlich fortwährenden Tun, Entscheiden, Machen, Bewerten.

Klarheit

Aus der Stille entsteht dann der zweite Aspekt. Sei (Klarheit). Sei ist das im Moment Sein und erkennen, was an Potenzial unmittelbar da ist. Denn wenn die Stille da ist, dann fallen alle die Dinge weg, die nicht wirklich sind.

Klarheit ist nichts weiter als unser Bewusstsein und der gegenwärtige Moment – ohne Gier, Hass, Verblendung und dem ständig plappernden Geist in unserem Kopf. Dann wird daraus ein Fundament, angemessen zu handeln.

Respekt

Daraus ergibt sich dann eine Ausrichtung auf das Ziel, auf Wa (Harmonie). Dazwischen liegt aber noch etwas sehr Wichtiges. Das ist Kei (Respekt), der Respekt vor jedem Wesen und damit auch vor mir selbst. Kei ist eine Dimension von Menschlichkeit.

Respekt ist die Fähigkeit, andere zu verstehen und zu akzeptieren, auch in Situationen, in denen man mit einem anderen nicht einverstanden ist. Indem wir anderen gegenüber freundlich, zugewandt und bescheiden sind, erweisen wir ihnen Respekt und ermutigen sie, das Gleiche zu tun. Dabei wird Respekt auch gegenüber Gebrauchsgegenständen und Objekten gezeigt, nicht nur wegen der menschlichen Anstrengung, die in ihre Herstellung investiert wurde, sondern auch wegen der einfachen Tatsache, dass sie aus der Natur hervorgegangnen sind.

Harmonie

Die drei Elemente, ausgehend von der Stille, der Klarheit und des Respekts, sind dann die Grundlage für Wa (Harmonie). Dabei bedeutet Harmonie nicht ein Betrachten der Welt durch eine rosarote Brille. Wa bedeutet die Harmonie erkennen, in allem was um uns herum ist. Harmonie bedeutet, dass ich mich im Einklang mit allem, auch mit allen anderen Menschen, befinde. Dass sich mein Handeln angemessen zur Situation bewegt.

Diese Harmonie findet sich in der Synchronität mit Wirklichkeit, in der Verbindung mit mir selbst und die Verbindung mit all dem, was um mich herum ist. Das ist erst die Voraussetzung für angemessenes Handeln. Für richtiges Handeln. Für weises Handeln. Das alles bedeutet Wa.

Wa oder Harmonie verkörpert das Gefühl des Einsseins mit der Natur und den Menschen. Es drückt sich, nicht nur in der Tee-Zeremonie, in einer positiven Interaktion zwischen Gastgeber und Gast, Gast und Gast und ganz allgemein zwischen Menschen, Situation und Natur aus. Sie erstreckt sich auch außerhalb des Teeraums durch eine Lebensweise, die frei von dem Wunsch ist, zu beeindrucken, zu konkurrieren und zu dominieren.

Schlüssel nach Außen und nach Innen

Diese Prinzipien, der Zusammenhang und die Bedeutung von Stille, Klarheit, Respekt und Harmonie, gewinnen noch an Kraft, wenn man sich die Zeit in Erinnerung ruft, in denen sie so geformt wurden. Es war eben keine leichte, ruhige Zeit. Es war eine Zeit von tosendem Bürgerkrieg mit viel Unsicherheit.

Zen kann – auch durch diese vier Prinzipen – in wilden, schwierigen, herausfordernden Zeiten Orientierung geben. Meditation ist dabei der große Schlüssel. Es ist der Schlüssel nach Außen in diesen vier Prinzipien Stille, Klarheit, Respekt und Harmonie. Und es ist der Schlüssel nach Innen, weil es uns nach Innen stärkt. Dadurch entsteht eine tiefe Beruhigung … und Furchtlosigkeit.

Die Gedanken sind einem Vortrag von Zen-Meister Hinnerk Polenski entnommen:

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