Akzeptanz steht als Option zur Reaktion auf Situationen oder Ereignisse zur Verfügung. Sie tritt dann in Erscheinung, wenn wir Dinge nicht mögen, ablehnen, anders haben wollen. Die Option des Akzeptierens drängt sich nicht gerade auf, erscheint nicht attraktiv. Sie steht ja im Gegensatz zu dem, was wir festhalten, bewahren oder nicht loslassen wollen.
Veränderungen
Ganz gleich, ob es eine schwerwiegende Diagnose ist. Die Trennung in einer Beziehung. Oder der Verlust des Arbeitsplatzes.
Was haben all diese Beispiele gemeinsam? Die Betroffenen wehren sich dagegen, eine Veränderung zu akzeptieren. Widerstand zu leisten ist ganz natürlich. Neurophysiologisch sind wir so verdrahtet, dass wir Veränderungen lieber aus dem Weg gehen und uns dagegen wehren. Unsere Alarmzentrale im Gehirn, die Amygdala, interpretiert Veränderungen als Bedrohung und schüttet Hormone für Angst, Kampf oder Flucht aus. Auf diese Weise schützt uns unser Körper vor Veränderungen.
Allerdings gibt es ein Problem. Manchmal ist die Veränderung, die uns aufgezwungen wird, dauerhaft, und unser fortgesetzter Widerstand dagegen macht uns unglücklich, kostet enorm viel Kraft, ohne dass wir etwas an der Situation ändern können. Das zu erkennen und sich auf die Reise zur Akzeptanz zu begeben, ist dann ein Weg hinaus. Vielleicht der einzige.
Was können wir also tun?
Etappen auf dem Weg zur Akzeptanz
Stelle dir folgendes Szenario für einen Moment vor. Nehmen wir an, du lebst in eine Gemeinschaft, einem Dorf, einer Nachbarschaft, in der Gastfreundschaft an erster Stelle steht. Es ist quasi ein Gesetz für alle, Gäste, die sich an der Tür vorstellen, in dein Haus aufzunehmen. Eines Tages klopft es an der Tür, und du findest einen neuen Gast vor. Dreckig, hässlich, ungepflegt, mürrisch und gemein. Er fordert energisch sein Gastrecht ein und kommt herein, trotz deiner Vorbehalte. Jetzt kommt das Leben in Bewegung. Wie reagierst du darauf?
5 Stufen der Akzeptanz
Der US-amerikanische Psychologe Christopher Germer hat in seiner Arbeit im Zusammenhang mit Achtsamkeit, die zu Selbstmitgefühl führt, fünf Stufen der Akzeptanz skizziert. Dabei ist der Prozess, sich aus dem Widerstand heraus durch diese Stufen zu bewegen, eine sich schrittweise wiederholende, hin- und hergehende Angelegenheit ist. Er läuft oft nicht einfach und linear von der ersten bis zur letzten Stufe durch.
Stufe 1: Ablehnung
Am Anfang der Reise zur Akzeptanz wird uns die Veränderung präsentiert: der unwillkommene Gast in der erwähnten Analogie. In diesem Stadium ist unser Widerstand am stärksten. Es ist der „Oh, nein – alles andere, aber nicht das!“-Faktor. Manche von uns verleugnen es.
Widerstand wurde mit dem “ Streiten mit der Realität“ verglichen. Man verliere jedoch regelmäßig, wenn man sich auf diesen Streit einlässt. Zumindest verliert man Zeit.
Widerstand ändert die Dinge jedoch nicht. Carl Gustav Jung hat das Paradoxe daran beobachtet: „Wir können nichts ändern, solange wir es nicht akzeptieren“. Doch in diesem Stadium ist unser Steckenbleiben unnachgiebig, unsere Abwehrkräfte gegen Veränderung voll mobilisiert.
Wenn wir über einen längeren Zeitraum Widerstand geleistet haben, kann sich die Gewohnheit so tief verankert haben, dass wir nicht mehr unterscheiden können, ob unser inneres „Nein“ noch gültig und hilfreich ist oder nur noch hinderlich.
Wir weichen dann aus in Vermeidungsverhalten oder in Ablenkung, „leisten“ Widerstand auf eine verdeckte Art und Weise. Oberflächlich betrachtet scheinen wir mit der Veränderung mitzugehen, aber innerlich sind wir Welten entfernt vom Beginn des Loslassens. Ein Beispiel hierfür ist die Person, die tatsächlich auf der Meditationsmatte ankommt, um die Achtsamkeitspraxis zu machen, von der sie weiß, dass sie sie braucht. Und sobald sie mit der Praxis beginnt, denkt sie an alles Mögliche, nur nicht z.B. an den Atem, den sie eigentlich beobachten sollte.
Das Stadium der Aversion, der Ablehnung, ist schmerzhaft. Doch genau dieser Schmerz – wenn er eine unerträgliche Intensität erreicht – wird zum Ticket aus dem Widerstand. Irgendwann haben wir die Nase so voll von all der Lebensenergie, die durch den Widerstand verloren geht. Wir fangen an, uns nach einem anderen Weg umzusehen.
Stufe 2: Neugier
Christopher Germers zweite Stufe ist durch eine subtile Milde gegenüber dem unerwünschten Gast aus dem Beispiel gekennzeichnet. Vielleicht erkennen wir, dass es nichts bringt, ihn zu verabscheuen und zu meiden, außer dass wir in einer Atmosphäre der Abgeschlagenheit und des Unbehagens ins Bett gehen.
Wir sehen, er geht nicht weg. Wir können ihn nicht für immer meiden. Schließlich wohnt er im selben „Haus“ (in unserem Leben). Wie könnten wir ihn also sonst betrachten? Gibt es einen anderen Weg, um mit ihm zusammen zu sein, ohne so wütend/abgestoßen/verzweifelt zu sein? Auf Stufe 2 beginnen wir also damit, unseren Widerwillen gegen unseren ungebetenen Gast neugierig zu erforschen. Was, so fragen wir, hat es mit unserer Verweigerung, Vermeidung und Festgefahrenheit auf sich? Was ist die Angst, die hinter unserer starken Emotion lauert?
Stufe 3: Toleranz – sicheres Aushalten
Wenn wir in diese Zwischenstufe auf dem Weg zur Akzeptanz kommen, stellen wir fest, dass wir – obwohl wir immer noch heftig protestieren, dass wir ihn nicht mögen und dass es nicht wirklich „fair“ ist, dass wir ihn beherbergen müssen – irgendwie einen Weg finden, unseren schrecklichen Gast zu tolerieren.
Vielleicht bemerken wir, wie wir unser Verhalten modifizieren. Der wichtige Punkt ist, dass wir, auch wenn wir es uns selbst noch nicht eingestehen, begonnen haben, uns zu verändern. Es setzt allmählich ein anderer Umgang mit der Situation ein, welcher der Veränderung etwas mehr Rechnung trägt.
Unser Albtraumgast ist definitiv noch bei uns, aber wir sehen, dass wir trotzdem weiterleben. Wir sagen vielleicht immer noch, dass wir ihn nicht ausstehen können. Lernen aber, mit ihm zurechtzukommen. Kurz gesagt, wir erkennen ihn und seine Anwesenheit an. Erstaunliches passiert dann. Der Schmerz aus dem Widerstand wird kleiner. Wenn wir die veränderte Situation mit einem feindlichen Land an unseren Grenzen vergleichen, würden wir sagen, dass ein Waffenstillstand eingehalten wird. Einen wirklichen Frieden gibt es aber noch nicht.
Stufe 4: Zulassen
Diese Stufe unterscheidet sich subtil vom bloßen Dulden. Hier sind wir uns der Gedanken bewusst, die uns immer noch kommen. Wie großartig die Dinge waren, bevor der ungebetene Gast kam. Jetzt aber erlauben wir ihnen zu kommen, wissend, dass die Gedanken auch wieder gehen werden. Zum Beispiel sehen wir vielleicht das Bild unseres verstorbenen Freundes und erinnern uns wehmütig an all die wunderbaren Gespräche bei endlosen Tassen Tee. Für ein paar Minuten wünschen wir uns sehnlichst, er wäre nicht gestorben.
Nach diesen widerwilligen Gedanken, die wir uns jetzt leisten können offen anzuerkennen, gehen wir wieder dazu über, im gegenwärtigen Moment zu leben, auch mit dem ungebetener Gast (die Veränderung).
Wir geben es vielleicht immer noch nicht gerne zu, aber das Leben ist mehr oder weniger wieder in Ordnung. Wir haben dem Gast den Schlüssel zum Haus gegeben, so dass er kommen und gehen kann, wie es ihm gefällt. Nach und nach, wahrscheinlich ohne zu bemerken, wie es geschah, sind wir an diesen Punkt gekommen. Wir sind „irgendwie“ mit der Veränderung einverstanden. Wir schaffen Platz für die Veränderung, auch wenn wir immer noch gelegentlich in den Rückspiegel schauen und darüber nachdenken, wie das „früher einmal war“.
Stufe 5: Freundschaft
Die letzte Stufe ist das Ankommen bei Akzeptanz und Freundschaft mit der Situation. Sie läutet eine spannende Entwicklung ein. Widerstand hat durchaus eine nützliche Filterfunktion. Denn manchmal sind wir besser dran, wenn wir Widerstand leisten. Wenn unsere Grenzen verletzt werden, sollten wir Widerstand leisten. Wenn wir nicht respektiert oder auf erniedrigende Weise behandelt werden, dient Widerstand dazu, die andere Partei wissen zu lassen, dass sie eine rote Linie überschritten hat und besser wieder auf die andere Seite zurückgehen sollte!
In diesem Stadium der letzten Stufe, des Ankommens mit einer unwillkommenen und möglicherweise dauerhaften Veränderung befinden wir uns jedoch in einer anderen Beziehung zum Widerstand. In der Freundschaft begreifen wir endlich den Wert der Erfahrung, die wir gerade durchgemacht haben. Unser ungebetener Gast sieht nicht mehr so hässlich oder so bedrohlich aus.
Tatsächlich sehen wir zu unserer großen Überraschung einen Anlass zur Freundschaft mit ihm. Das heißt, wir sind in der Lage, uns so weit von unserem anfänglichen Widerstand zu distanzieren, dass wir den Silberstreif in der Veränderung sehen können. Wir schätzen die gewonnenen Einsichten und Lektionen und wissen, dass wir irgendwie größer, kraftvoller, tiefer mit uns selbst und dem ganzen Leben verbunden sind, als wir es vor der Veränderung waren. Wir sind vielleicht sogar daran gewachsen.
Akzeptanz ist ein Anfang
Akzeptanz gehört wahrscheinlich in die Kategorie der Dinge, die „einfach sind, aber nicht leicht“. Es mag schwierig sein, unsere Widerstände zu überwinden. Jedoch das Akzeptieren der Realität – erkennen, was jetzt gerade ist – erlaubt uns, notwendige Veränderungen vorzunehmen. Es bedeutet nicht, dass wir versagt haben! Es bedeutet, dass wir freier sind unser authentischeres Selbst zu sein. Auf das zu reagieren, was unser Leben jetzt braucht, und uns mit Sinn und Zweck auf immer tieferen Ebenen zu beschäftigen. Zu Beginn der Reise schien es so, als würde das Akzeptieren der Veränderung das Ende der Dinge bedeuten: weit gefehlt. Akzeptanz ist nicht das Ende. Es ist der Anfang.