Eine kurze Zen Geschichte über Zufriedenheit. – In der Tradition des Zen werden viele Weisheiten, Lehrreiches oder Nachdenkliches in kleine Anekdoten, kurze Zen Geschichten verpackt. Oft geht es dabei um Dialoge zwischen dem Meister und seinen Schülern oder – wie in der Zen Geschichte über Zufriedenheit – um einen Zen Meister und andere Menschen.
Manchmal sind die Wendungen in den Geschichten überraschend. Manchmal irritierend. Nicht immer sofort verständlich und sie regen an zur Reflexion. Und manchmal wird der Kern der Geschichte sofort klar und trifft den Leser wie ein Blitz.
Hier also die Zen Geschichte über Zufriedenheit:
Ein großer Zen-Meister erhielt Besuch von ein paar Menschen, die auf der Suche nach dem Geheimnis der Zufriedenheit waren. »Großer Meister, was ist das Geheimnis der Zufriedenheit? Was ist dein Rezept, glücklich und zufrieden zu sein?«, fragten die Suchenden.
Der Meister hielt kurz inne und gab dann zur Antwort:
»Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich hungrig bin, dann esse ich. Wenn ich durstig bin, dann trinke ich. Wenn ich müde bin, dann schlafe ich, und wenn ich die Dinge verrichten muss, dann gehe ich zur Toilette.«
Die Besucher waren etwas verwirrt und schauten sich gegenseitig ungläubig an. Dies konnte doch nicht das wahre Geheimnis der Zufriedenheit sein, und so erkundigte sich einer:
»Großer Meister, treibe keine Scherze mit uns. Wie du weißt, liegen, stehen, gehen, essen und trinken auch wir, und trotzdem sind wir nicht zufrieden und glücklich.«
Der Meister erkannte, dass die Menschen ihn nicht verstanden, und fügte deshalb hinzu:
»Du hast recht, ihr liegt, steht, geht, esst und trinkt. Nur wenn ihr liegt, dann denkt ihr bereits ans Aufstehen, wenn ihr aufsteht, dann denkt ihr bereits ans Gehen, wenn ihr geht, denkt ihr bereits ans Essen, wenn ihr esst, dann denkt ihr bereits ans Trinken … Euer Körper und euer Geist sind nie zum selben Zeitpunkt am gleichen Ort. Eure Gedanken sind entweder in der Vergangenheit oder aber in der Zukunft.
Das Leben findet jedoch ausschließlich in der Gegenwart statt, und nur in der Gegenwart habt ihr die Möglichkeit, Zufriedenheit und Glück zu erfahren.«
Und jetzt? Was machst Du damit? Oder was macht diese Geschichte mit Dir?
Der Inhalt erscheint eventuell sehr banal? Gewöhnlich? Nichtssagend?
Und doch trifft der Kern dieser Zen Geschichte mitten in unsere alltägliche Realität.
Jetzt – Im Moment sein
Eher selten sind wir im Moment, in der Gegenwart. Sehr oft führen unsere Gedanken unseren Geist in die Vergangenheit oder in die Zukunft.
Es gibt dazu eine schöne Studie. Teilnehmern wurden über mehrere Tage hinweg zu zufälligen Zeitpunkten über ihr Smartphone immer wieder die drei gleichen Fragen gestellt:
Was tust Du gerade?
Wo sind Deine Gedanken dabei?
Wie glücklich fühlst Du Dich?
Die Ergebnisse haben gezeigt, dass wir im Durchschnitt eher selten mit unseren Gedanken bei genau der Sache waren, die wir gerade erledigten. Durchschnittlich sehr oft sind wir mit unseren Gedanken bei ganz anderen Dingen … und nicht bei der aktuellen Tätigkeit. Das gilt für Tätigkeiten am Arbeitsplatz, bei Gesprächen, im Kino, beim Zusammensein mit dem Partner und fast allen anderen Tätigkeiten. Was sagt das über die Qualität aus mit der wir diese Tätigkeiten, diese Gespräche oder das Zusammensein erleben, wenn unsere Gedanken dabei woanders sind?
Wir sind sehr oft eben nur wie ein zufälliger, unaufmerksamer Passant in unserem eigenen Leben mit dabei. Wir bekommen nicht mit, was da gerade los ist. Oder etwas pathetischer: Wir verpassen das Potenzial des Augenblicks, während wir mit unseren Gedanken in der Vergangenheit oder Zukunft unterwegs sind.
Das meint der Zen Meister in der Geschichte, wenn er sagt: Wenn ich sitze, sitze ich. Wenn ich gehe, gehe ich. Er bringt damit zum Ausdruck, dass er mit seiner Aufmerksamkeit, mit seinem Geist bei der Sache ist, die er gerade tut. Er ist vollkommen im Moment, im Augenblick, in der Gegenwart. Im Jetzt! – Und nur im Jetzt können wir uns auch erfahren, können spüren, was uns da jetzt bewegt, begegnet und berührt. Jede Wahrnehmung setzt das Spüren im Jetzt voraus. Wir können nicht gestern wahrnehmen. Auch nicht morgen. Nur im Jetzt.
Wir können auch nur in der Gegenwart wirksam werden, handeln, entscheiden, tun. Vom Dalai Lama ist dazu folgendes Zitat bekannt:
„Es gibt genau zwei Tage, an denen wir nicht wirksam sein können. Gestern und Morgen.“
… also nur heute, jetzt.
Das Jetzt und Glück und Zufriedenheit
Da war aber noch die dritte Frage in der Studie. Wie glücklich fühlst Du Dich gerade?
Die erste Erkenntnis aus der Studie ist das sehr häufige Auseinanderfallen unserer Tätigkeiten und unserer Gedanken. Einen großen Teil der Zeit tun wir etwas, ohne dass unser Geist bei diesem Tun ist. Wir sind nicht in der Gegenwart bei unserem Tun. Und da kommt die Frage nach dem glücklich Sein oder der eigenen Zufriedenheit mit dazu.
Die Frage nach dem Glückserleben beantworteten die Studienteilnehmer eher moderat, wenn sie mit ihren Gedanken nicht bei der Tätigkeit waren, die sie ausführten. Und zu den Zeitpunkten, zu denen Teilnehmern mit ihrer Tätigkeit verbunden waren, vielleicht sogar in ihr versunken, da erlebten sie sich deutlich glücklicher.
Glücklich sein, Zufriedenheit scheint mit dem im Augenblick Sein, im Jetzt sein, eng verbunden.
Die Studie – man könnte sagen das wissenschaftliche Untersuchen mit unseren heutigen Herangehensweisen – kommt also genau zu dem Ergebnis, das uns die vermutlich sehr, sehr alte Zen Geschichte über Zufriedenheit und Glück lehren will.
Wie denkst Du jetzt über diese Geschichte? Erscheinen die Antworten des Zen Meisters immer noch banal oder trivial?
Und übrigens:
Genau in diesem Zusammenhang, so wie in der Geschichte, sind die Anleitungen in der Zen Meditation zu verstehen: Zazen – Nur sitzen. Kinhin – Nur gehen. Oder anders: Im Jetzt sein – mit dem was Du tust. Das kann eine Quelle von Glück und Zufriedenheit sein.