Anker und Kompass in der Krise

Anker und Kompass
Zen – Anker und Kompass in der Krise

Anker und Kompass, ein fester Stand und Ausrichtung auf das, was wesentlich ist, sind jetzt gefragt. Die Auswirkungen des Corona-Virus haben uns fest im Griff. Sie dominieren alles. Die Nachrichten, Gespräche mit anderen, einen krisenbedingten anderen Lebensrhythmus, hinterfragen von Gewohnheiten, unsere Gedanken, Gefühle, Ängste und Annahmen über die eigene Zukunft.Die Situation in der wir uns jetzt alle wiederfinden ist mehr als ungewohnt. Sie ist fremd, wir haben keine bewährten Handlungsmuster im Repertoire und müssen unter Unsicherheit unser Leben organisieren.

Zen – Anker und Kompass in der Krise

Genau jetzt ist Meditation und Achtsamkeit, genau jetzt ist Zen nicht nur eine „nette Sache“, die unser Leben besser macht, uns mit ein bisschen Stress gut umgehen lässt und uns für unseren gewohnten Alltag „optimiert“.

Jetzt ist ein klarer Blick auf die Situation und ein guter, bewusster Umgang mit sich selbst (Regulation, Selbststeuerung) von entscheidender Bedeutung. Ganz besonders, wenn wir Verantwortung tragen. Verantwortung für uns selbst, für Familienmitglieder, für Mitarbeiter und Kollegen, für ein Unternehmen, für ältere Menschen oder ganz generell für Menschen mit denen wir zusammen sind.

Kurzum: Achtsamkeit, Meditation und Zen sind jetzt nichts mehr, was wir ab und zu ein wenig auf einer Meditationsmatte – quasi unter Laborbedingungen – entwickeln und anwenden. Es ist – spätestens jetzt – gleichzeitig Anker und Kompass. Anker für einen festen Stand und Kompass für die Ausrichtung auf die wirklich wichtigen Dinge, die jetzt anstehen.

Vor einigen Jahren durchlebte eine befreundete Unternehmerin das Abbrennen des Unternehmens in wenigen Stunden. Sie praktizierte da schon lange Zen und es war beeindruckend zu sehen, wie klar sie selbst in den ersten Stunden nach diesem einschneidenden Unglück war. Sich um den Brand und die Mitarbeiter kümmern konnte. Und selbst in einem TV-Interview am gleichen Tag war sie glasklar, souverän und in ihrer Kraft. Sie schrieb mir einige Tage später:

„Ich bin dankbar um jede Sekunde ZEN, die ich je praktiziert habe, denn es ist ein großer innerer Speicher, aus dem ich gut zehre.“

Anker und Kompass und eine Quelle von Kraft. Eine schöne Umschreibung von Zen.

Die Aufmerksamkeit ausrichten

Es kommt jetzt mehr denn je darauf an mit unserer Aufmerksamkeit gut umzugehen. Wahrzunehmen was ist. Im Innen und im Außen. Und sich nicht überwältigen zu lassen von Gedankenspiralen und Emotionen, die damit verbunden sind. Seien es Gedanken und Befürchtungen um die eigene Gesundheit, die Gesundheit von Eltern, Kindern und Partnern oder die Sorge um den Job und Einkommen.

Die eigene Aufmerksamkeit steuern, selbst den Kurs der Aufmerksamkeit bestimmen und sich nicht mitreisen lassen durch „Breaking News“, den neuesten Statistiken, die Irritation über Menschen, die „Corona-Parties“ feiern oder die steigende Zahl der Todesfälle. Selbst in der Fähigkeit bleiben dorthin zu schauen, wo es wichtig ist. Das ganze Bild der Situation wahrnehmen. Auch die Solidarität, die Menschen, die Hilfsangebote entwickelt haben, das Zusammenrücken der Gesellschaft erkennen und wertschätzen.

Wenn die Zeit zum Sitzen kommt, sitze einfach!

Sich die eigene Klarheit erhalten und diese immer wieder herstellen. Die Fähigkeit ruhig und in Gelassenheit auf die Dinge zu sehen. Seine eigene Kraft zur Verfügung haben. Das ist jetzt wichtig. Wie also damit umgehen?

Da kommt mir die Schilderung eines Zen-Schülers an einem historischen Katastrophentag, dem 11. September 2001, in New York in den Sinn:

Ein Zen-Schüler hatte sich in New York mit seinem Zen-Meister zu einem Gespräch verabredet. Sie verabredeten sich für den Spätnachmittag am 11. September 2001 (!). Das Zen-Zentrum lag downtown New York, in der Nähe des World Trade Center. Natürlich stand die ganze Stadt (und nicht nur in New York) im Zeichen der verheerenden Anschläge auf das World Trade Center und es ging in der ganzen Stadt an diesem Tag drunter und drüber.

Schrecklich bekümmert rief der Schüler den Zen-Meister an. »Komm einfach her«, sagte der Meister nur. Der Schüler traute seinen Ohren nicht. »Wie soll das gehen?«, rief er. »Alle Straßen sind gesperrt.« »Komm her«, wiederholte der Meister. Der Schüler wusste nicht, was er tun sollte. Nach einer Weile rief er erneut an, um sicherzugehen, dass der Zen-Meister wusste, was gerade passiert war. »Wieso rufst du noch mal an?«, fragte der Zen-Meister. »Komm einfach her zu unserer Verabredung«, sagte er und legte auf.

Völlig perplex wand sich der Schüler durch alle möglichen Straßensperren und Umleitungen, und wie durch ein Wunder und zu seinem großen Erstaunen schaffte er es irgendwie, rechtzeitig bei der  Zendo einzutreffen. Er läutete die Glocke, ging nach oben und führte sein Gespräch mit dem Meister. Pünktlich um sechs sagte der Meister: »Okay, das Gespräch ist vorbei. Nun ist es Zeit zum Sitzen.« Und er bereitete sich darauf vor, Zazen (Zazen bedeutet Sitzmeditation) zu praktizieren.

»Aber Meister«, sagte der Schüler, »in der Stadt geht es drunter und drüber. Niemand wird heute Abend kommen.« »Ob viele kommen oder keiner kommt, spielt keine Rolle«, erwiderte der Meister. »Wenn die Zeit zum Sitzen kommt, sitze einfach.«

Sitzen in der Krise – auch online

Einfach nur Sitzen, wenn die Zeit zum Sitzen gekommen ist. Ja, was denn sonst …?!

Wir können in diesen Tagen nicht zur gemeinsamen Meditation in Gleisweiler zusammenkommen. Und so schade das ist, so richtig und angemessen ist dieses Verbot auch.

So sind wir darauf angewiesen, andere Formen zu finden. Jeder kann für sich seinen Raum für die eigene Praxis finden. Viele tun das ja bereits. Und wer noch keine regelmäßige, tägliche Meditationspraxis für sich finden konnte, der hat jetzt vielleicht Anlass und Gelegenheit, damit anzufangen.

Abstand halten zu anderen, „social distancing“, ist das Gebot dieser Tage. Das können wir allerdings auf die physische Distanz beschränken. Wir können trotzdem in Verbundenheit zu anderen bleiben und andere Formen finden.

Deshalb möchte ich am gemeinsamen Sitzen am Montag festhalten. Und wenn das nicht physisch zusammen in Gleisweiler gehen kann, dann lasst es uns online versuchen. In einem anderen Kontext praktiziere ich das bereits und es funktioniert doch recht gut.

Einladung zur online-Meditation

Ich werde am morgigen Montag eine Einladung zur gemeinsamen online-Meditation, zum „online-Zen“ an die aktiven Teilnehmer verschicken, so dass wir uns – wer möchte – um 19:30 über ein einfach zu benutzendes online-Tool verbinden können. Eine kleine technische Hilfestellung wird auch mit dabei sein.

Wer in der Vergangenheit nicht regelmäßig mit dabei war und in dieser Zeit dieses online-Angebot nutzen möchte, der kann sich gerne bei mir melden (Email: web@zen-suedpfalz.de ).

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