Geduld entwickeln bringt eine andere Qualität von Leben hervor. Es ist weit mehr als gegen eigene Nervosität ankämpfen. Oft ist „Ungeduld“ die Antwort – zum Beispiel bei einem Bewerbungsgespräch – auf die Frage nach unserer Schwäche.
Ungeduld als Antwort auf die Frage nach Schwäche
Warum? Ungeduld kommt so unverfänglich daher. Ist vermeintlich nicht wirklich schlimm. Soll eher Tatendrang und Wollen transportierten. Und letztendlich die Frage nach einer Schwäche mit einer Stärke beantworten. Sollten wir dann nicht unsere Ungeduld leben und voller Tatendrang uns in den Aktivismus jagen lassen? – Oder doch darüber nachdenken, warum Geduld entwickeln eine gute Strategie ist?
Geduld – Die Fähigkeit Unbehagen auszuhalten
Das Leben ist voller Herausforderungen und testet immer wieder unsere Geduld. Wir reagieren auf Situationen oder Schwierigkeiten häufig unbewusst mit Reaktionsmustern, die tief in unserem Gehirn verwurzelt sind.
Das Ergebnis ist häufig nicht so schön. Geduld, oder anders gesagt, die Fähigkeit, Unbehagen besser aushalten zu können, ist eine effiziente Strategie, um mit einer wohlbedachten Antwort, statt impulsiv nach einem eingeübten Verhaltensmuster zu reagieren.
Ein altes Sprichwort sagt:
„Ein Augenblick Geduld in einem Augenblick des Ärgers erspart dir tausend Augenblicke voller Kummer.“
Und das gilt nicht nur für die Arbeit. Es gilt auch in unseren Beziehungen und im Leben ganz allgemein.
In vielen Situationen ergibt sich aus einem Reiz, aus einem Anlass, direkt eine Handlung, eine Reaktion. Dieser Reiz-Reaktions-Mechanismus ist eine Art Autopilot. Evolutions-biologisch finden solche impulsgetriebenen Reaktionen im ältesten Teil unseres Gehirns statt. Diesen Teil des Gehirns nennt man im Model des „dreieinigen Gehirns“ das Reptiliengehirn. Reptilien sind nicht zur Reflexion fähig. Sie reagieren aus dem Reiz-Reaktions-Mechanismus heraus. Und auch wir Menschen haben diesen alten Teil des Gehirns in uns – wie das Krokodil. Glücklicherweise haben wir noch andere Gehirnteile mit anderen Funktionalitäten. Deshalb sind wir Menschen.
Geduld als Scharnier zwischen Reiz und Reaktion
Geduldig zu sein, heißt unter anderem, in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben, selbst wenn der Autopilot aktiviert ist und reflexhaft und impulsiv reagieren möchte. Geduld ist die Fähigkeit, Unangenehmes auszuhalten, sich der Situation zu stellen und eher bedächtig als impulsiv mit ihr umzugehen.
Geduld hat mehr mit Weitsicht, mit langfristigen Zielen als mit kurzfristigen, schnellen Lösungen zu tun. Schnelle impulsive Reaktionen zielen darauf ab, Probleme zu lösen, indem wir die äußeren Bedingungen um uns verändern, sie bekämpfen oder vor ihnen flüchten. Geduld verleiht uns die notwendige Klarheit, um die Ursache unsere Probleme zu sehen und diese an der Wurzel zu lösen. Geduld schafft uns diese kleine Pause, diesen Raum in dem Reflexion möglich ist.
Geduld verschafft uns diesen Vorsprung von einer Sekunde, in der wir unser inneres Reaktionsmuster erkennen können, abwägen und angemessen handeln. Sie führt ohne Umschweife zu einem erfolgreichen Leben, in dem wir uns mit den Wurzeln von Problemen beschäftigen und weniger mit ihren Symptomen.
Geduld üben – Freiheit erhalten
Nicht jedem Menschen fällt es leicht, Geduld zu üben, sich in Geduld zu üben. Es braucht auch Courage, diesen einen Moment mehr innezuhalten, auszuhalten und unangenehme Situationen durchzustehen. Achtsamkeit und Meditation fördert genau dies. Das bringt Viktor Frankl mit seinem Zitat dazu auf den Punkt:
„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht, unsere Reaktion zu wählen. In unserer Reaktion liegen unser Wachstum und unsere Freiheit.“
Und genau das ermöglicht Meditation. In der Meditation lernen wir, diesen Raum zwischen Reiz und Reaktion entstehen zu lassen, größer werden zu lassen. Aus dem automatischen, reflexhaften Handeln heraus zu kommen. In diesem Raum entstehen dann Möglichkeiten, wie wir eine bewusste Entscheidung für eine Handlungsoption treffen können. Handeln, so wie immer – dann aber ganz bewusst. Oder anders handeln. Vielleicht auch gar nicht handeln und in Gelassenheit ausharren.
In der Meditation erleben wir immer wieder diese Phasen von Unruhe. Vielleicht sagt dir eine innere Stimme: „Warum sitze ich hier nur rum und tue nichts? Ich habe noch so viele Dinge zu erledigen.“ In diesen Momenten bietet sich dir eine Gelegenheit, Geduld zu üben.
Anstatt aufzugeben, kannst du versuchen, entschlossen und couragiert die Rastlosigkeit anzunehmen. Sieh der Unruhe ins Auge. Folge nicht dem spontanen Impuls aufzuspringen oder das Gefühl der Unruhe zu unterdrücken. Wenn du vor dem Gefühl fliehst, kannst du sicher sein, dass es sich an anderer Stelle wieder meldet. Eine unangenehme Erfahrung kann nur dort wirklich gelöst werden, wo sie auftaucht: in unserem Kopf, das heißt in unseren Gedanken und Reaktionsmustern.
Das Sein mit dem Gefühl der Unruhe, ohne dem Handlungsimpuls folgen zu müssen, das öffnet diesen Raum der Freiheit und des Wachstums. Die Unruhe wird nach und nach verschwinden. Die Freiheit entsteht, bleibt … und wächst.