Gibt es eine heilsame Kraft in der Meditation? Dieser Frage geht eine aktuelle ARTE Dokumentation nach. Der Film stellt die Wirkungen von Meditation auf unsere Gesundheit dar. Sehr ausführlich. Sehr verständlich. Sehr sehenswert.
Gesundheit beginnt im Kopf
Ist es möglich, den Geist zu trainieren und Einfluss auf den Körper zu nehmen? Gibt es eine heilende Wirkung von Meditation? Das sind die Ausgangsfragen, mit denen der Film beginnt. Hirnforscher, Neurologen, Psychiater, Molekularbiologen, Allgemeinmediziner berichten über aktuelle und teils sehr verblüffende Erkenntnisse aus ihrer Forschung und aus Erfahrungsberichten von Patienten.
Einige Wissenschaftler beschreiben den Stand der Wissenschaft bereits als so weitreichend, dass Meditation den Bereich der Alternativmedizin bereits verlassen und einen festen Platz in der traditionellen Medizin eingenommen hat. Sie hat in den USA und auch in Europa in den Krankenhausalltag Einzug gehalten. Oft als begleitende, unterstützende Intervention zu klassischen Behandlungsverfahren.
„Die Meditation ist inzwischen wirklich Teil der Medizin. Sie ist keine Alternativmedizin, sondern wird zunehmend Standard.“ Professor Saki Santorelli, University of Massachusetts und Direktor des Center for Mindfulness
Die Anwendungsbereiche sind vielfältig. Signifikante, heilsame Wirkungsbeiträge von Meditation im Bereich chronischer Schmerzen, bei Stress und vielen psychischen Problemen wie dem Umgang mit Angst oder Depressionen sind ebenso zu beobachten wie bei Entzündungsprozessen. Gerade Entzündungen seien oft der Startpunkt vieler Krankheiten und langer Krankheitsgeschichten.
Meditation – eine sehr körperliche Erfahrung
Viele wissen gar nicht, ehe sie selbst zu meditieren beginnen, dass die Meditation eine überaus körperliche Erfahrung ist. Es ist sehr viel mehr als ein tiefes Nachdenken oder Betrachten von Gedanken. Wir hören in unsere ganze Person hinein. Lauschen, was in unserem Körper geschieht. Wie wir atmen. Wie unsere Gedanken fließen. Wie Geräusche auf uns wirken.
Im Grunde sind wir unser eigener stiller Beobachter. Wir wollen nichts bewegen, sondern einfach nur im gegenwärtigen Moment sein.
Meditation und Schmerzen
Der US-amerikanische Psychologe und Hirnforscher Dr. Richard Davidson von der University of Wisconsin in Madison zeigt den Zusammenhang auf, dass der Umgang mit unseren Gedanken und Emotionen großen Einfluss auf unser Empfinden hat:
„Ein Großteil des Leidens unter Schmerzen kommt nicht vom Schmerz selbst, sondern durch die Antizipation des Schmerzes.“
Hierbei erhält er Zustimmung seines französichen Kollegen, dem Neurologen Dr. Antoine Lutz vom neurowissenschaftlichen Forschungszentrum am INSERM in Lyon.
„Meditation verändert unser Verhältnis zum Schmerz, nicht den Schmerz an sich.“
Aber genau das scheint entscheidend zu sein für ein deutliches Mehr an Lebensqualität vieler Patienten mit chronischen Schmerzen.
Meditation und Depressionen
Einer der ersten Ärzte in Frankreich, welche die heilende Kraft der Meditation klinisch nutzten, ist Dr. Christoph André am Centre Hospitalier in Paris. Begleitende oder alternativ zu Medikamenten und klassischer Therapieformen setzt er Meditationspraktiken seit mehr als zehn Jahren bei der Behandlung von chronischen Depressionen und Angststörungen mit Erfolg ein.
„Wenn Personen, die zu Depressionen neigen, meditieren lernen, sinkt ihr Rückfallrisiko in den Folgejahren beträchtlich. Ihre Wirkung ist vergleichbar mit Antidepressiva.“
Meditation und Zellalterung
Ein noch relativer neu entdeckter Zusammenhang ist der Einfluss von Meditation auf die Zellalterung und damit auch auf das Altern allgemein. Die Forscher konnten den ersten Ergebnissen, die in diese Richtung weisen, kaum glauben und weiteten ihre Forschung gleich darauf deutlich aus.
Bereits wenige Wochen intensiver Meditation konnten den Einfluss auf grundlegende Mechanismen der Zellalterung belegen.
„Damit steht die These im Raum, dass die Lebensdauer eines Menschen mit seiner Psyche zusammenhängen könnte.“
Dr. Clifford Saron, Center for Mind and Brain University of California
Meditation und Entzündungsprozesse
Richard Davidson konnte belegen, wie Meditieren nicht nur gegen Stress wirkt, sondern auch gegen Überreaktionen unseres Immunsystems, die oft zu Entzündungsreaktionen führen. „Entzündungen sind eine Komponente von vielen chronischen Erkrankungen. Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Arthritis und sogar demenzielle Erkrankungen wie Alzheimer. Bei allen spielen Entzündungen eine sehr zentrale Rolle. Oft sind sie der Startpunkt der Erkrankung. Und vieles spricht dafür, dass Meditation bestimmte entzündungsfördernde Stoffe herunterfährt.“
„Wir haben die Vision, dass Meditieren irgendwann zum Alltag gehören wird wie Zähneputzen. Wir gehen achtsam mit unseren Zähnen um, indem wir sie täglich putzen und pflegen. Und genauso achtsam sollten wir mit unserer Seele und unserem Gehirn umgehen.“
Richard Davidson
Die heilsame Kraft von Meditation
Als Fazit der ARTE Dokumentation kommen die Autoren zum Schluss. „Regelmäßige Meditation kann uns helfen, bestimmte automatische Reaktionen unseres Körpers zu kontrollieren, auch die Unangenehmen. Es ist, als verfügten wir über ungeahnte Ressourcen, die sorgsam in den ruhigen und entspannten Regionen unsere Psyche verwahrt sind. Als würde uns die Meditation die Tür zu einer Art inneren Apotheke öffnen.“
50 Minuten, die sich lohnen. Sehr sehenswert: ARTE – Die heilsame Kraft der Meditation