Vorsätze umsetzen ist zu schwierig und trägt das Scheitern schon in sich? Das muss nicht sein. Mit einer simplen „Technik“ schaffen Sie es, alte Verhaltensweisen zu lassen und neue einzuüben. Mit Achtsamkeit das eigene Gehirn verändern.
Die schlechte Nachricht gleich vorweg
Nur 12% der Vorsätze, die vor allem um den Jahreswechsel herum gefasst werden, führen zu „echten“, d.h. mittel- und langfristigen Verhaltensveränderungen. 88% scheitern. Damit sind Sie mit Ihren guten Vorsätzen für 2017 zwar im Mainstream, aber voraussichtlich (wieder mal) nicht erfolgreich. Weder in Ihrer Fitness („Sport treiben“ oder „mit dem Rauchen aufhören“) noch in Ihrem Beruf („mehr Zeit für Gespräche“ oder „weniger meetings“).
Doch es gibt Hoffnung.
Vorsätze umsetzen: Die gute Nachricht
Ihr Gehirn ist plastisch, d.h. veränderbar. Oder mit anderen Worten: Im Gehirn lassen sich stets neue neuronale Pfade anlegen. Über die Lenkung Ihrer Aufmerksamkeit – oder kurz: Mindfulnesss oder deutsch: Achtsamkeit – finden Sie Zugang zu diesem Mechanismus.
„Aufmerksamkeit ist das Skalpell, um neue Pfade zu schnitzen“,
fasst der Harvard Psychologe Daniel Siegel in seinem Buch „Mindsight“ kurz und bündig zusammen. Und das Verstehen dieses Mechanismus‘ kann Vorsätze umsetzen helfen, länger als bloß 8 Tage. Wie also hängen Mindfulness / Achtsamkeit und der Erfolg bei Vorsätzen zusammen?
Gewohnheiten sind „starrsinnig“
Und zwar wörtlich. Das haben Sie ja schon häufig bemerkt, wenn Sie eine nicht mehr gewünschte Gewohnheit ändern wollten. Denn Gewohnheiten sind nichts anders als Routinen, die unser Gehirn ganz gezielt zu seiner eigenen Entlastung einsetzt. Wiederkehrende Denkaufgaben, sich wiederholende Verhaltensweisen werden – vor allem, wenn Sie noch mit Belohnungen verbunden sind – als feste neuronale Verknüpfungen im Gehirn abgespeichert, verfestigt und automatisch abgerufen.
Automatisch heißt, Sie brauchen dabei nicht mehr bewusst zu denken. Neurowissenschaftlich ausgedrückt, wird die Steuerung aus dem Bereich für bewusstes Tun (dem Cortex) in tiefere, ältere Hirnregionen verlagert. Ein ganz und gar vernünftiger Vorgang also, der Ihre bewusste Denkkapazität freimacht für andere Vorgänge.
Problematisch wird das nur dann, wenn sich diese Gewohnheiten im Laufe der Zeit ohne Ihre bewusste Entscheidung, einfach durch Wiederholung „eingeschlichen“ haben. Vor allem dann, wenn (gehirneigene) Belohnungsstoffe ausgeschüttet wurden und eine Tätigkeit, eine Verhaltensweise, eine Denkweise auf diese Weise permanent nach Wiederholung schreit.
Zum Beispiel der andauernde Griff zum Smartphone. „Wenn man sieht, was sie (die Smartphones) im Gehirn bei uns auslösen, dann ist das vergleichbar mit den Vorgängen, die Kokain hervorruft“, erläutert Jon Kabat Zinn, Professor für klinische Psychologie an der Harvard Universität, in der FAZ vom 15. März 2015.
Raus aus dem Automatismus!
Egal nun, ob wir über schlechte Gewohnheiten oder gar schon von Sucht sprechen – Ihr Denken und Verhalten folgt in diesen Fällen einem Automatismus – und der ist unbewusst. Deshalb steuern Sie nicht mehr aktiv Ihre Gedanken, sondern werden gelenkt.
Diese automatische Lenkung zeigt sich Ihnen so, dass Sie z.B. alle zwei Minuten nach Ihrem Smartphone greifen, ohne sich bewusst dafür entschieden zu haben. Oder dass Sie Ihr Essen in sich hineinstopfen, ohne zu wissen, was und wie viel Sie gerade gegessen haben. Oder zur nächsten Zigarette greifen.
Genau deshalb haben Sie ja zum Jahresanfang den Vorsatz gefasst „ich will konzentrierter arbeiten“ und „ich will abnehmen“. Sie werden nun an dieser Stelle keine Tipps erhalten, wie Sie anders arbeiten oder wie Sie abnehmen können. Das wissen Sie ohnehin schon längst.
Interessanter ist es, wie Sie rauskommen aus Ihrer alten Automatik und wieder in den „Driver Seat“ Ihrer Gedanken kommen. Denn nur so haben Sie die Chance, dass Ihre guten Vorsätze mitttelfristig halten.
„Neue Wege entstehen, indem man sie geht“
Sagten schon die alten Chinesen. Und das gilt insbesondere in der Neurophysiologie. Wenn wir Neues lernen, dann verbindet unser Gehirn Nervenzellen miteinander. Synaptische Verbindungen nennt dies die Wissenschaft. Das Anlegen neuer neuronaler Pfade im Gehirn gewissermaßen. Und hier hat die Hirnforschung in den letzten Jahren Sensationelles entdeckt: wir selbst können diesen Prozess beieinflussen!
Indem wir unsere Aufmerksamkeit gezielt auf etwas lenken, immer wieder und wieder legen wir neue Pfade in unserem Gehirn an. Neue Denkmuster also, die zu neuen Verhaltensweisen führen (Daniel Siegel). So wie Fußgänger in einem Park neue Wege schaffen, in dem sie bewusst und immer wieder eine bestimmte Abkürzung gehen, wie das obige Bild sehr gut zeigt.
Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit!
Was ist nun aber gemeint mit dem gezielten Lenken der Aufmerksamkeit? Wie geht das im Alltag? Mindfulness oder Achtsamkeit ist hier das Schlüsselwort – die Fähigkeit, die eigene Aufmerksamkeit bewusst zu steuern.
Nehmen Sie Ihren Atem. Konzentrieren Sie sich bewusst für einige Sekunden auf jeden einzelnen Ihrer Atemzüge. Und schon haben Sie Ihre Aufmerksamkeit gelenkt.
Nun konzentrieren Sie sich auf die Geräusche, die Sie hören. Nehmen Sie jedes einzelne Geräusch in Ihrer Umgebung ganz bewusst wahr. Und wieder haben Sie Ihre Aufmerksamkeit gelenkt.
Und wenn Sie nach etwa 2,5 Sekunden in Gedanken abschweifen, nehmen Sie das zur Kenntnis – und lenken ganz einfach, ohne sich zu ärgern, freundlich sich zusehend, ihre Aufmerksamkeit wieder zurück auf den Atem.
Wow, werden Sie nun sagen, so einfach geht das? Aber bitteschön, wie kann ich damit meine Vorsätze umsetzen und halten?
Werden Sie zu Ihrem eigenen Beobachter!
Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit so oft wie möglich auf sich selbst. Trainieren Sie Achtsamkeit. Nehmen Sie wahr, wie Sie sich jetzt gerade fühlen, was Sie jetzt gerade denken, wie es Ihnen jetzt gerade geht. Nehmen Sie alles wahr, was jetzt gerade in Ihnen vorgeht. Und nehmen Sie das alles einfach mal wahr, ohne gleich etwas verändern zu wollen. Einfach nur akzeptieren, so wie es.
Je häufiger und regelmäßiger Sie das über den Tag hinweg praktizieren („Mindful Moments“ …) – desto besser wird es Ihnen gelingen, jene Gedanken und Impulse frühzeitig zu sehen, die Sie von Ihren Vorsätzen weg wieder in Ihre alten Denk- und Verhaltensroutinen bringen wollen. „Ah, da ist er wieder, der Impuls zum Smartphone, zur Zigarette oder zur Schokolade zu greifen“, stellen Sie fest. Nehmen Sie das freundlich zur Kenntnis und machen – einfach nichts. Auch den auftauchenden Gedanken „ich brauche das jetzt, weil ich Stress habe“ erkennen Sie, nehmen ihn zur Kenntnis und machen – ebenfalls nichts. Damit haben Sie den ersten, aber alles entscheidenden Schritt getan. In Ihrem Gehirn beginnt sich ein neuer Pfad zu bahnen.
Wenn Sie sich dann noch „belohnen“, in dem Sie sich gut fühlen und das ebenfalls achtsam feststellen, dann beginnen Sie Ihre Vorsätze umzusetzen. Ihre Vorsätze verankern sich in immer besser spürbaren Pfaden in Ihrem Gehirn.
So können Sie mit Achtsamkeits-Training Vorsätze umsetzen. Mindfulness oder Achtsamkeit hat aber noch vielfältige andere positive Wirkungen und kann selbst trainiert werden. Ein sehr wirkungsvolles Achtsamkeits-Training ist die Meditation!
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Quelle: Friedhelm Boschert (mindful-solutions.de) mit eigenen Ergänzungen und Kürzungen