Weihnachtshasser oder Weihnachtsgenießer?
„Ach wie schön diese Weihnachtszeit“ freuen sich die Einen, „ein Graus dieses ganze Getue“ stöhnen die Anderen. In welche der beiden Fraktionen gehörst Du?
Oder bist du auf der pragmatischen Seite wie ein Freund von mir?
Dieser Freund erklärte mir diese Woche kurz und bündig: „Ich genieße einfach das feine Essen, das es überall gibt. Für mich braucht es keine weitere Bedeutung, die es das ganze Jahr sonst auch nicht gibt.“
Ein Thema mit Emotionen
Ob mit oder ohne Bedeutung: Dieses Thema löst auf jeden Fall Emotionen aus. Je nach unseren Erwartungen, Vorstellungen und Erinnerungen, entstehen angenehme oder unangenehme Gefühle. Wir erleben diese Zeit dann entweder melancholisch, dunkelgrau oder heiterleichtglitzernd, leidend oder genießend.
Je nach Neigung identifizieren wir uns mit der einen oder anderen Gruppe. Im Alltag zementieren wir dies auch sprachlich und sagen: „Ich bin Weihnachtsgenießer, beziehungsweise ein Weihnachtshasser.“
Ist das tatsächlich so? Unverrückbar für immer? Dauernd ohne Ausnahme?
Im Alltag, in Coachings und Gesprächen hören wir immer wieder verschiedenste Identifikationen. Und solange diese uns nützen – im aktuellen Beispiel ist die Zugehörigkeit „Weihnachtsgenießer“ sicher nützlich, weil schön und angenehm – müssen wir nichts ändern.
Die Weihnachtsgenießer
Ist meine Stimmung freudvoll, fühle ich mich verbunden und kann Dankbarkeit empfinden, für was ich habe, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich vieles tue um diese Emotionen weiter zu nähren.
Ich werde andere Menschen treffen, über Adventsmärkte bummeln, vielleicht Geschenke aussuchen und mich freuen, dass sich meine Lieben bald darüber freuen. Ich werde mich sportlich betätigen, weil ich mich energievoll fühle oder gemütlich lesend vor dem Kaminfeuer einkuscheln.
Oder in Kurzform: Ich werde mehr von dem Tun, was funktioniert und mir guttut.
Die Weihnachtshasser
Schwieriger ist es auf der anderen Seite. Als Weihnachtshasser fällt meine Aufmerksamkeit auf das Zuviel, den Kitsch, die Oberflächlichkeit und das Nicht-Authentische. Und das, was mir das ganze Jahr schon fehlt und ich mir anders wünsche, gewichte ich in der Advents- und Weihnachtszeit noch stärker: Einsamkeit, Ärger, Überdruss, Zukunfts-Angst oder Verzweiflung sind die korrespondierenden Emotionen.
Unangenehme Emotionen bedeuten in der Regel Stress. Gestresst verhalten wir uns ganz anders: wir „flüchten“, d.h. ziehen uns zurück, „kämpfen“, sind unfreundlich, kurzangebunden, hektisch oder erstarren in Blockaden und Irritation. Unangenehm für alle Beteiligten.
Auch in diesem Fall bewirkt mehr vom Gleichen ein gleiches Resultat …. das aber unerwünscht ist.
Was kannst du tun?
- Auf keinen Fall versuchen zwangspositiv in die andere Kategorie zu wechseln. Akzeptiere, dass du andere Bedürfnisse hast in dieser Zeit.
- Nimm deine Gefühle wahr, erlaube dir auch mit den unangenehmen in Kontakt zu sein. Was ist ihre Botschaft? Worauf weisen sie dich hin?
- Unterbrich die ewiggleichen Gedankenspiralen und richte deine Aufmerksamkeit bewusst auf den Atem. Verweile einen Moment mit aktivem Nicht-Tun.
- Werde dir bewusst, dass auch in der Weihnachtszeit nicht nur alles glitzert und oberflächlich ist. Es gibt Unterschiede, vieles Nebeneinander. Kitschige Oberflächlichkeit neben berührender Tiefgründigkeit. Richte deine Aufmerksamkeit bewusst auf diese Vielfältigkeit.
- Finde heraus, wo und mit wem du jetzt gerne Zeit verbringst oder verbringen würdest. Wähle aus der Fülle der Angebote aus, welches für dich passt.
- Freue dich über eine Schneeflocke, einen Sonnenstrahl, der durch den Nebel scheint. Sei dankbar, dass du mit wenig zurechtkommst und dich schon ein Winterspaziergang glücklich macht.
- Mache es wie mein Freund vom Anfang: gib dieser Zeit eine andere Bedeutung. Es muss nichts Bestimmtes sein. Was ist wichtig für dich in dieser Zeit?
Analysieren, verdrängen, dramatisieren – oder Anschauen, Erkennen und Akzeptieren
Emotionen sind die lebendigsten Kräfte in uns. Und doch behandeln wir sie in unserem vernunftbetonten Alltag stiefmütterlich. Der gewohnheitsmäßige Umgang mit ihnen ist analysieren, verdrängen oder dramatisieren. Dies ist nicht der sinnvollnützliche Umgang mit diesen lebendigen Kräften und führt uns häufig zu Fehlentscheidungen und falschen Handlungen.
Ein wohlwollendes Anschauen, Erkennen und Akzeptieren dieser Emotionen in uns – gleich welcher Art diese Gefühle sind – ist ein guter Anfang. Achtsamkeit eine gute Haltung (auch) dazu.
Quelle: Jeannine Born und Gabriela von Arx und eigene Ergänzungen