Nur sitzen – Die Essenz des Augenblicks

Nur sitzen ist die einleitende Aufforderung zu Beginn einer Sitzrunde, einer Meditationsrunde im Zen, Zazen genannt.Das Bild zeigt diesen Augenblick. Zwei Klanghölzer werden geschlagen.

„Nur sitzen!“

Nur sitzen

„Nur sitzen.“ Eine Meditationsrunde im Zen – Zazen – wir häufig mit der ergänzenden Aufforderung „nur sitzen“ eingeleitet. Diese scheinbar banale Aufforderung weist auf einen Kern des Zen. Doch was verbirgt sich dahinter? Ist es wirklich so einfach, nur zu sitzen? Oder steckt darin eine tiefere Bedeutung?

Eine kleine Zen-Geschichte gibt uns einen Hinweis:

Ein Schüler fragte seinen Meister: „Was ist der Weg?“
Der Meister antwortete: „Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich.“
Der Schüler, etwas verwirrt, entgegnete: „Aber das tun wir doch auch!“
Daraufhin sagte der Meister: „Nein, das tut ihr nicht. Wenn ihr sitzt, denkt ihr bereits ans Aufstehen. Wenn ihr aufsteht, plant ihr schon, wohin ihr gehen werdet. Und wenn ihr geht, schweifen eure Gedanken zu tausend anderen Dingen. So seid ihr niemals wirklich da, wo ihr seid.“

Die Antwort des Meisters ist keine bloße Beschreibung seines Tagesablaufs. Sie ist ein Fingerzeig auf die Essenz des Zen: die völlige Präsenz im Augenblick.

Die Zerstreutheit des Alltags

Unser Alltag ist oft geprägt von Gedankenfluten. Während wir eine Aufgabe erledigen, planen wir schon die nächste. Beim Essen denken wir an ein bevorstehendes Meeting. Beim Gespräch mit Freunden schweift unser Geist ab. Das ist ein Zustand der Zersplitterung – wir sind nicht ganz hier, nicht wirklich präsent.

Doch genau hier liegt die Einladung zu Beginn einer Sitzrunde. Anhalten. Zurückkehren. Eben nur sitzen.

Die Praxis des „Nur Sitzens“ ist eine Übung in Achtsamkeit. Sie zeigt uns, wo unsere Aufmerksamkeit gerade ist. Und gibt uns die Möglichkeit, sie bewusst zurückzubringen, wenn sie irgendwo anders ist. So entsteht Präsenz – ein Zustand, der uns hilft, den Moment vollständig zu erleben.

Was bedeutet „nur sitzen“?

Im Zen geht es darum, mit dem, was wir gerade tun, eins zu werden. Nicht mehr, nicht weniger. Beim „Nur sitzen“ in der Meditation, im Zazen, üben wir, den Geist zur Ruhe zu bringen. Wir beobachten unsere Gedanken, lassen sie vorüberziehen, kehren immer wieder zur einfachen Erfahrung des Sitzens zurück.

Mit der Zeit entsteht Klarheit. Die Gedanken, die uns normalerweise in die Vergangenheit oder Zukunft ziehen, verlieren ihre Kraft. Wir lernen, im Augenblick zu sein, bei uns selbst.

Die Einheit des Seins

„Nur sitzen“ strahlt dabei über das Kissen hinaus in unser Leben.
Gelingt dieser Zustand vollkommen, dann erübrigt sich die Frage: Wer sitzt denn hier? – Es entsteht eine vollkommene Einheit mit der Handlung. – Das Ego löst sich auf. Keine Dualität mehr, die den Sitzenden (ein Subjekt) vom Sitzen (einem Objekt) trennt.
Alles ist eins. Das ist dann Ausdruck der absoluten Wirklichkeit.

Diese Erfahrung führt zu einer tiefen Einsicht: Wirkliches Sein geschieht immer nur im Hier und Jetzt. Nicht, um etwas Bestimmtes zu erreichen, sondern um mit dem, was ist, vollkommen eins zu werden.

Eine Einladung

Wann warst du das letzte Mal wirklich präsent? Was hindert dich daran, mit dem, was du gerade tust, ganz eins zu sein?

Vielleicht ist jetzt der richtige Moment, es auszuprobieren. Wenn die Zeit zum Sitzen kommt, dann sitze einfach. Setze dich hin. Sei einfach nur da. – Nur sitzen.

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