Zen Denken beschreibt das Leben und Entscheiden aus dem Moment heraus. Es steht somit in einem gewissen Widerspruch zu dem vor allem in der westlichen Welt, in der Welt der Aufklärung gepflegten rationalem Denken. Dabei ist der künstliche Begriff „Zen Denken“ bereits ein Widerspruch in sich. Es geht im Zen ja gerade nicht darum, das Handeln als Konsequenz, als letzten Abschluss eines rationalen, logischen Nachdenkprozesses zu verstehen. Zen Denken funktioniert anders.
Zen auf der Tastatur
Die meisten Menschen lernen am PC, auf dem Smartphone oder früher auf der Schreibmaschine zu tippen. Sie üben sich dann darin über Jahre, ohne dass das Verbessern der Tippfähigkeit ein bewusstes Ziel ist. Sie schreiben SMS, Emails, Aufsätze in der Schule oder später Berichte und Konzepte im Beruf.
Das Tippen an sich geschieht dabei sehr einfach. Es ist eine Art Zen Geist oder Zen Denken. Denn der Verstand sagt nicht bewusst jedem Finger, welchen Buchstaben er auf die Tastatur drücken soll. Die Finger wissen, wohin sie gehen müssen. Tatsächlich ist es viel schneller, wenn man nicht darüber nachdenkt, was man mit dem kontrollierenden Bewusstsein macht. Stelle dir vor, du versuchst, mit dem bewussten Verstand zu tippen, der jeden Buchstaben ausspricht, während du ein Wort eingibst.
Das wäre viel langsamer. Beim Tippen ist das Ego nicht beteiligt. Der Verstand handelt intuitiv außerhalb der bewussten Kontrolle. Der Fokus liegt dabei zwar in der Gegenwart, im Moment. Er liegt aber nicht beim Tippen der Buchstaben selbst sondern beim Formulieren des Inhalts.
Um diesen Zen Geist wirklich zu verstehen, versuche dir vorzustellen, sechzig Wörter pro Minute zu tippen, während dir jemand ein Samurai-Schwert über den Kopf hält, das dich zu enthaupten droht, wenn du zu langsam tippst.
Sich zu konzentrieren und zu tippen, ohne an die Buchstaben selbst oder das Schwert zu denken, das über dem Kopf hängt, wäre der Zen Geist. Du musst im Moment sein, beim Schreiben selbst. Sobald Du aus diesem Zen Geist heraus fällst und dein Ego aktiv wird und über die Konsequenz – das Schwert – nachdenkt, wirst du scheitern.
Das Zen Denken hält das Ego im Zaum, schiebt es beiseite, löst es am Ende auf. Und jetzt stelle dir vor, du kannst dein gesamtes Leben im Zen Geist leben. Ohne ein ständiges gefangen Sein in Angst, in Grübeln und Abwägen, was passieren könnte.
Das klingt für unsere Ohren gefährlich, unvorsichtig, gewagt, leichtsinnig oder vielleicht sogar töricht. Und doch ist es uns nicht ganz fremd, sofern wir eine gute Verbindung zu unserem Inneren, zur Intuition und eine gute Wahrnehmung haben.
Die Messerschneide
Zen Denken kann auch bei Aktivitäten auftreten, die wir sonst nicht mit Meditation in Verbindung bringen. Wenn du Gemüse mit einem scharfen Messer schneidest, hat dein Verstand keine andere Wahl, als in der Gegenwart zu sein und all die Sorgen aus der Vergangenheit zu vergessen, die ihn depressiv machen, oder Sorgen um die Zukunft, die Angst auslösen würden.
Dein Fokus ist auf dem Schneiden. Du führst das Messer intuitiv mit dem richtigen Druck, in der richtigen Bewegung mit angemessener Geschwindigkeit. Das ist Zen Geist. Du handelst aus deinem Inneren heraus.
Wie Daisetz T. Suzuki, ein sehr bedeutender Zen Meister der Neuzeit, erklärt, besteht die Praxis des Zen darin, eine Methode zu erlernen und zu beherrschen, so dass du dann den nächsten Schritt tun kannst. Der nächste Schritt ist das Vergessen der Methode und ganz darin einzutauchen.
Dann können wir das Offensichtliche überwinden und mit den tieferen Geheimnissen des Lebens in Kontakt treten, was dazu beiträgt, eine wahrer Meister oder Künstler zu werden.
Intuition und unser Bauchgefühl
Im Westen beginnen wir zu erkennen, dass es etwas mit intuitivem Denken zu tun haben könnte. Wir wissen heute, dass sich in unserem Unterbauch, im Darm ähnliche viele Nervenzellen befinden wie im Gehirn. Auch dort findet Wahrnehmung und Erkennen statt. Sprachlich ist uns das bekannt, wenn wir zum Beispiel sagen, „wir vertrauen unserem Bauchgefühl“.
Die Japaner haben noch sehr viel mehr sprachliche Formulierungen, die auf den Bauch als Ort von Erkenntnis hindeuten. „Den Bauch öffnen“ bedeutet offen und ehrlich sprechen. Oder „den Bauch lesen“ steht dafür, dass es schwierig ist zu wissen, was jemand denkt. Wir würden dafür vielleicht eher formulieren, man kann jemandem nur bis zur Stirn sehen.
Es gibt viele Studien und Experimente, die eine Überlegenheit der Intuition gegenüber dem intellektuellen Verstand und Logik belegen. Da gibt es zum Beispiel ein oft in diesem Zusammenhang zitiertes Experiment mit zwei Kartenstapeln. Probanden haben die Wahl, von welchem Stapel sie ziehen. Die beiden Stapel sind präpariert und der eine enthält die besseren Karten.
Es dauerte etwa fünfzig Karten, bis die Versuchspersonen realisierten, dass die Kartenstapel unterschiedlich sind, und achtzig Karten, um den Unterschied dann tatsächlich herauszufinden. Aber es dauerte nur etwa zehn Karten, bis ihre Handflächen anfingen zu schwitzen, als sie nach dem schlechteren Stapel griffen. Das vegetative System der Probanden registrierte die Informationen, die Situation wesentlich schneller als der bewusste Geist.
Das Ergebnis – und viele andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen – ist klar: Intuition ist eine starke Kraft des Geistes, die uns helfen kann, bessere Entscheidungen zu treffen.
Intuition und Zen Denken trainieren
Und dies lässt sich trainieren, indem wir …
- Tempo heraus nehmen, uns verlangsamen und unserer inneren Stimme gewahr werden
- tief wahrnehmen, was in uns – und in anderen – vorgeht
- im Moment sind, in der Situation gegenwärtig sind
- darauf vertrauen, was in uns entsteht.
Letztendlich sind es Achtsamkeit und vor allem Meditation, die deinen Sinn für Intuition verfeinern, stärken und dich Zen Denken näher bringen.