Durch den Lockdown – schon wieder. Die Entwicklung der Infektionszahlen in den vergangenen Wochen hat es fast schon sicher erwarten lassen. Die enorme Dynamik des exponentiellen Anstiegs war in den letzten Tagen dann aber in einer beeindruckenden Art beängstigend. Also nochmal durch den Lockdown. Wir wissen ja bereits wie das geht, können auf die Erfahrungen aus März und April zurückgreifen. Dennoch gilt es wachsam zu sein und Signale bei sich / in sich gut wahrzunehmen.
Die Situation fordert einen Tribut
Die Zeit, die wir durchleben ist beispiellos. Geprägt von Unsicherheit, die von jedem von uns verlangt, sich durch diese globale Gesundheitskrise hindurch zu navigieren. So gut es eben geht. So vernünftig wie möglich. Mit genügend gutem, gelassenen Umgang mit Themen wie Unsicherheit gegenüber getroffenen politischen Entscheidungen, Unsicherheit aus dem sich sehr schnell veränderten Wissenstand zum Umgang mit der Pandemie und der Unsicherheit, nicht wirklich zu wissen, was der „richtige“ Weg ist.
Einen unsicheren Zustand versuchen wir in aller Regel zu vermeiden. Wir wünschen uns Gewissheit. Gewissheit war immer und ist auch jetzt ein sehr flüchtiger Zustand, oftmals nur eine Illusion. Die Unsicherheit ist die Regel. Damit kommen wir doch im Allgemeinen ganz gut klar.
Derzeit durchleben wir allerdings eine beispiellose Zeit und keiner von uns war mit einer solchen Situation schon konfrontiert. Die Ungewissheit und Unberechenbarkeit geht nicht spurlos an uns vorbei. Sie fordert einen Tribut und beeinflusst unsere geistige und körperliche Gesundheit.
Am ehesten bemerken wir das an den Emotionen. Den eigenen Emotionen und auch die Emotionen bei anderen oder gar deren Einfluss in der Gesellschaft. Sehr deutlich kann man das bei den zahlreichen Demonstrationen sehen. Die Unsicherheit bricht sich Bahn in Ängsten, Widerstand, Verleugnung und ebnet auch den Weg zu sehr „phantasievollen“ Erklärungen und Verschwörungsmythen.
Mit unseren Emotionen umzugehen und uns gegenseitig zu unterstützen, kann im günstigsten Fall eine Herausforderung sein. Deshalb müssen wir alle mehr denn je unser Bestes tun, um regelmäßig innezuhalten, durchzuatmen und proaktiv auf uns und andere zu achten.
Was können wir tun?
Einen klaren Blick bewahren (Klarheit), ruhig zu bleiben (Ruhe und Gelassenheit), Orientierung behalten, fest auf dem Boden zu stehen (Erdung), das sind alles Eigenschaften, die wir als „Früchte der Meditationspraxis“ kennen. Achtsamkeit und Meditation bieten uns Mittel, ein größeres und objektiveres Bewusstsein für unsere eigene Gefühlslandschaft, die Gefühle anderer und die äußeren Umstände zu kultivieren. Auf diese Weise haben wir mehr Wahlmöglichkeiten, wie wir auf Herausforderungen reagieren, denen wir möglicherweise gegenüberstehen, und können bewusster wählen, wohin wir unsere Aufmerksamkeit richten. Wir müssen also nichts Neues tun. Es reicht die Besinnung auf das, was uns auch sonst durch die Zeit bringt. Das ist sehr einfach, was nicht heißt, dass es auch leicht ist.
Es gibt einige hilfreiche Haltungen und Handlungsweisen, , welche helfen, durch diese Zeit hindurch zu kommen, mit Unsicherheit umzugehen, Ängste abzubauen und mit uns selbst und mit anderen verbunden zu bleiben.
Angst, Furcht und Verleugnung
Anerkennen, dass es nicht nur normal, sondern angemessen ist, sich in einer Zeit wie dieser ängstlich und besorgt zu fühlen. Angesichts der Art der Bedrohung, der wir ausgesetzt sind, sind Furcht und Angst Anpassungsreaktionen, da uns darauf aufmerksam machen, dass wir geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, um uns selbst und andere so sicher und gesund wie möglich zu halten.
Es ist auch wichtig zu erkennen, dass Furcht und Angst schnell eskalieren und einen Kipppunkt erreichen können, jenseits dessen sie nicht mehr besonders hilfreich sind und uns in negativer Weise beeinträchtigen können. Sie führen dann in akuten Stress. Wir regieren dann mit einer der klassischen Stressreaktion „Kampf“, „Flucht“ oder „Todstellen und können nicht mehr sehr klar denken oder gute Entscheidungen treffen. Wir werden reaktiver und weniger anpassungsfähig. Unser Denken kann sich schnell in eine Spirale verwandeln, die immer negativer wird und aus der wir uns nur schwer lösen können.
Warnzeichen
Achtsamkeit hilft uns dabei, unsere persönlichen Signale, die uns sagen, dass wir kurz vor diesem Kipppunkt stehen, besser zu erkennen und zu verstehen. Wir können uns Achtsamkeit wie unser persönliches „Angst- und Furchtthermometer“ vorstellen, das uns hilft, unsere eigenen Warnsignale kennen zu lernen und sie zu erkennen, wenn sie einsetzen. Beispiele dafür sind: Reizbarkeit, die Geduld verlieren, Schlafprobleme, Konzentration und Fokus nicht mehr halten können, Gedankenschleifen, die in Katastrophenszenarien enden, Grübeln, mehr essen oder trinken als üblich.
Wie geht es mir gerade?
Eine gute Übung ist es, sich immer wieder – mehrfach am Tag – die Frage zu stellen: Wie geht es mir gerade jetzt? Und darauf wirklich eine kompetente Antwort zu geben. Das ist nur möglich, wenn man sich in einen Modus versetzt, in dem man die Aufmerksamkeit auf seine „Ableseinstrument“, also seinen Körper, lenkt und tief in die Wahrnehmung geht.
Neben der Kenntnis und dem Erkennen unserer Warnsignale versetzt uns Achtsamkeit auch in die Möglichkeit angemessen zu reagieren. Dieses Anhalten, Innenhalten, Aufmerksamkeit auf den Körper steuern, Wahrnehmen stabilisiert unser Gehirn und Nervensystem. Es wird aus dem Stressmodus herausgeholt und die „abgeschalteten“ Kapazitäten werden wieder verfügbar. Das versetzt uns wiederum in die Lage, klarer zu denken, bessere Entscheidungen zu treffen und angemessen zu handeln, anstatt bloß zu reagieren.
Vorsicht: Verleugnung
Es kann auch verlockend sein, sich abzuwenden und die Realität dessen, was geschieht, zu leugnen. Leugnen kann angesichts der erheblichen Auswirkungen, die diese Pandemie auf so viele Menschen in finanzieller, emotionaler oder physischer Hinsicht haben wird, besonders reizvoll sein. Es ist wie ein Ausblenden der Situation, Pause machen von dem, was uns da gerade entgegen kommt. Während vorübergehende Ablenkungen nützlich sein können, um unseren Verstand zu beruhigen, ist Leugnen im Großen und Ganzen kein hilfreicher Ansatz. Es macht uns verwundbar und lässt uns erschöpft fühlen, so dass wir keine angemessen Vorsichtsmaßnahmen treffen. Wir sind dann auch sehr anfällig für Erklärungsansätze, die weit außerhalb der Realitäten liegen. Das zieht dann nochmals sehr viel Energie. Verleugnung kann uns verwundbar und erschöpft machen, da es dazu führen kann, dass wir keine angemessenen Vorsichtsmaßnahmen treffen, und sie ist angesichts der Realität nur schwer durchzuhalten.
Im Wesentlichen hilft uns die Achtsamkeit, die Dinge klarer zu sehen, was uns wiederum hilft, ein Gleichgewicht zu finden zwischen Informiertheit und vernünftigen Entscheidungen, ohne überwältigt zu werden.
Verbundenheit
Ein Mittel die Infektionszahlen wieder herunter zu bekommen, ist es, die Ansteckungsmöglichkeiten möglichst weitgehend zu reduzieren. Das geht am besten, indem direkte Kontakte zu anderen vermieden werden. Wir sind als Menschen soziale Wesen und das fällt uns sehr schwer. Wenn wir dennoch physisch von anderen distanziert sind, ist diese fehlende Verbindung zu anderen etwas, was für uns schwierig ist, was uns fehlt.
Wir können uns glücklich schätzen, dass uns so viel Technologie zur Verfügung steht, die es uns ermöglicht, mit Familie, Freunden und Kollegen in Verbindung zu bleiben. Auch wenn das reale Kontakte nicht ganz ersetzen können, so ist das doch eine Möglichkeit, im Kontakt und verbunden zu bleiben. Die letzten Monate haben gezeigt, dass die Videokonferenztechnologie gegenüber Telefonaten doch sehr viel mehr Qualität in den Kontakten ermöglicht. Wir können besser kommunizieren, wenn wir die Körpersprache und Mimik des anderen sehen können. Wenn wir dann noch versuchen wirklich zuzuhören und so aufmerksam wie möglich mit dem oder den anderen zu interagieren, dann entsteht große Verbundenheit.
Gut durch den Lockdown
Diese Zeit der Bedrohung und damit auch des Lockdowns wird vorübergehen. Es gilt gut durch den Lockdown zu kommen. Umsichtig, gelassen, in Verantwortung für sich und andere und mit angemessenem Handeln.