Demut. Kick-off im Projekt-Team. Du beginnst diesmal ungewöhnlich: „Ich könnte mich irren – helft mir, das zu prüfen.“ Es wird still. Dann melden sich zunächst die Leisen. Blinde Flecken werden sichtbar, der Plan wird besser. Ein einziger Satz – und die Wichtigkeit deines Egos macht Platz für das, worum es wirklich geht.
Was Demut ist – und was nicht
Demut heißt: realistische Selbstsicht und Bezogenheit auf etwas Größeres (einen Sinn, die Aufgabe, die Gemeinschaft). Sie macht nicht klein und hat nichts mit Demütigung oder einem stets gefälligen Verhalten anderen gegenüber zu tun.
Demut erdet: Ich bin ein Teil, nicht das Zentrum. Daraus wachsen Lernbereitschaft, Dankbarkeit, Staunen und die Bereitschaft sich in den Dienst einer Sache zu stellen. Ein gutes Bild: die leere Schale – offen, bereit gefüllt zu werden, etwas neues aufzunehmen; oder anders: zu hören und zu lernen.
Warum Demut wirkt (Psychologie & Achtsamkeit)
Achtsamkeit ohne Demut wird schnell reine Selbstbestätigung oder zur Überschätzung und Überhöhung der eigenen Person. Demut öffnet den Raum: „Ich könnte irren – und das ist spannend.“ So entsteht Gruppen-Intelligenz statt Ego-Show. Fragen werden wichtiger als das Performen und die Selbstbezogenheit.
Hilfreich sind Sprachmarker wie „Ich sehe derzeit …“, „Was übersehe ich?“, „Gibt es andere Perspektiven darauf?“. Und eine heilsame Distanz: „Ich habe eine Meinung, ich bin nicht diese Meinung.“
Wer die eigene Fehlbarkeit anerkennt, hält inne, bevor er verletzt – und kann Hilfe annehmen. Das ist keine Schwäche, sondern Mut in ruhiger Form, auf festem Boden.
Demut im Zen
Im Zen wird Demut verkörpert, also mit dem Körper, durch den Körper zum Ausdruck gebracht. Zum Beispiel durch das Zusammenlegen der beiden Hände vor der Brust (Gasshō) und kleine Verbeugungen sind keine Unterwerfungsrituale, sondern Ausdruck von Wachheit, Präsenz und Respekt: Ich trete bewusst ein, ich diene der Praxis.
Der Anfängergeist (Shoshin) hält Dinge frisch: lieber offen und mit vielen Möglichkeiten als vermeintlich allwissend und eng.
Und das Nicht-Selbst (Anattā) lockert das Festhalten an „meinem“ Standpunkt – es wird leichter, wirklich zuzuhören. So schützt Demut vor Arroganz und hält Achtsamkeit lebendig.
Das Zusammenspiel von Mut, Sanftmut, Gleichmut und Demut
Tragfähiges Handeln entsteht durch das Zusammenspiel von Kraft (Mut), Wärme (Sanftmut), Weite (Gleichmut), wenn alles über Demut als einer Art Korrektiv oder als gemeinsamer Boden verbunden ist. Demut ist dieser feste Boden unter Mut, Sanftmut und Gleichmut – auf ihm können wir gehen.
Leitfragen können sein:
Wo nehme ich mich gerade wichtiger als das, worum es geht?
Welche Wahrheit kann ich heute hören, die mir nicht schmeckt?
Was darf ich loslassen, damit das Fortkommen leichter wird?
Demut: Ego leiser, Welt klarer.
Ich muss nicht größer werden; ich muss weiter werden. In dieser Weite findet das Richtige seinen Weg. – Wenn das Ego leiser wird, wird das Wesentliche hörbar – und Handeln wird leicht.
Die Mut-Serie:
Sanftmut – Mut bahnt Wege, Sanftmut öffnet Türen
Gleichmut – Weite halten, klar bleiben
Demut – Festen Boden finden, frei handeln