Anfängergeist

Anfängergeist - Eine wichtige Haltung im ZEN

Anfängergeist

Anfängergeist – wann hast Du zuletzt etwas zum ersten Mal getan … und dies wirklich genossen? Ist das nicht erstaunlich, dass das bei vielen von uns sehr selten ist? Als Kind war das noch anders. Bei jedem. Ob es die Faszination der ersten Seifenblase war oder das Beobachten eines Käfers im Gras.

Neugierige Aufmerksamkeit

Kinder wissen noch, dass jeder Moment neu und einzigartig ist. Sie schenken ihm ihre volle, offene und neugierige Aufmerksamkeit. Dadurch lernen Kinder in jedem Moment dazu und genießen es. In offener Neugier nehmen sie alles wahr, was diese Welt, was jeder kleine Moment, ihnen zu bieten hat.

Und irgendwann geht uns dann dieser Anfängergeist verloren. Während ein Kind noch beim ersten bewussten Sehen von Schnee fasziniert ist und sofort neugierig und offen hinaus will, denken wir daran, dass es auf der Fahrt zur Arbeit glatt sein wird. Unser Anfängergeist ist verloren. Wir rufen bekannte Erfahrungen ab, sind festgelegt. Wir glauben genau zu wissen, was es alles mit sich bringt, wenn es schneit.

Anfängergeist – Eine wichtige Haltung im ZEN

Diese Haltung des Anfängergeistes hat im ZEN eine große Bedeutung. Anfängergeist ist dabei keinesfalls abwertend gemeint. Ganz im Gegenteil.

Wenn Menschen zum ersten Mal zu uns zur Meditation kommen, dann sind sie neugierig und offen, sie haben Anfängergeist. Sie hatten vielleicht noch nie Berührung mit Meditation oder irgendwo schon hineingeschnuppert. Sie machen dann bei der Einführung in den ersten Meditationsrunden die ersten Schritte, die ersten neuen Erfahrungen, entdecken Neues über sich.

Bei manchen ist der Anfängergeist dann bereits am ersten Abend aufgebraucht. Sie wissen dann bereits, was das mit der Meditation oder dem ZEN auf sich hat und kommen dann zum Urteil, dass das nichts für sie ist.

Erste Erfahrungen vertiefen

Andere bleiben neugierig und wollen den ersten Geschmack der gemachten Erfahrungen wiederholen und vertiefen. Sie bleiben dran, kommen regelmäßig montags nach Gleisweiler und bauen die Meditation vielleicht sogar täglich in ihren Alltag ein und machen Bekanntschaft mit Veränderungen, die sich einstellen.

Aber auch sie sind nicht gefeit, den Anfängergeist zu verlieren. Wer sich über Wochen, Monate oder Jahre zur Meditation hinsetzt, hat dann doch irgndwann auch eine Vorstellung davon, was dann jetzt gleich passiert. Und genau das passiert dann vielleicht auch. Wir basteln an einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, an einer Erwartungshaltung, die gerade aufgrund dieser Erwartung zwangsläufig auch wirklich eintritt. Und so verhindern wir zielsicher ein Weiterentwickeln der eigenen Meditationspraxis, weil wir ja schon alles „wissen“. Wir basteln uns aus den eigenen Erfahrungen und Annahmen eine Art Gefängnis, anstatt immer von neuem offen für das zu sein, was heute, was jetzt gerade geschieht, sich einstellt, wegfällt oder sich entwickelt.

Nichtwissen

Der amerikanische ZEN Meister Bernie Glassman hat dazu folgendes gesagt:

„Sobald wir über etwas Bescheid zu wissen glauben, machen wir dadurch einen anderen Verlauf der Dinge unmöglich. Sobald wir nicht mehr aus dem ,Nichtwissen‘ heraus leben, fixieren wir unsere Situation so, dass wir das unablässige In-Erscheinung-Treten der Dinge und Ereignisse nicht mehr zu erleben vermögen.

Die Dinge geschehen aber und nichts bleibt so, wie es ist. Indem wir jedoch Vorstellungen darüber hegen, was unserer Meinung nach geschehen sollte, hindern wir uns daran zu sehen, was tatsächlich geschieht. Uns entrüstet, wenn unsere Erwartungen sich nicht erfüllen. Gelingt es uns hingegen, sie loszulassen, befinden wir uns im Einklang mit dem, was in Erscheinung tritt.“

Was Glassman „Nichtwissen“ nennt ist eine andere Bezeichnung von Anfängergeist. Noch prägnanter bringt es Shunryu Suzuki auf den Punkt:

„In einem Anfängergeist existieren unzählige Möglichkeiten, im Geist eines Experten nur wenige.“

Viele kennen auch den Vergleich mit der Teetasse, der ebenfalls die Qualität des offenen, vorurteilsfreien Anfängergeistes beschreibt:

„Sei wie eine leere Teetasse. In eine volle Tasse kann man keinen Tee einfüllen, das geht nur in eine leere Tasse. Wenn du also etwas lernen willst, wenn du etwas einüben willst, wenn du weiterkommen, Dich entwickeln willst, dann sei nicht wie eine volle Tasse, sondern wie eine leere Tasse, voller Erwartung dessen, was da kommt, und dann nimm den Tee auf – vorurteilsfrei, lass den Geschmack sich frei entfalten und achte auf diesen. Jeder Tee ist anders, es gibt so viele Geschmacksrichtungen, sei offen für das Neue!“

Ohne Anfängergeist keine Tiefe

Verlieren Menschen den Anfängergeist, dann kann es sein, dass sie daraus falsche Schlüsse ziehen. Indem sie zu wissen glauben, was passiert, kommt vielleicht – nicht nur in der Meditation, auch im Job, in unseren Beziehungen – ein Gefühl von Langeweile auf.

Sie suchen dann nach anderen Meditationsarten, vielleicht mit Musik oder einer Traumreise. So hüpfen sie von einer Meditationsgruppe zur nächsten, oder von der Meditation zu Yoga oder einer anderen Praxis. Nur eines bleibt konstant: Sie kommen niemals wirklich tief.

Denn immer dann, wenn das oberflächlich Neue „bekannt“ zu sein scheint, wenn sie sich darauf besinnen könnten, mehr in die Tiefe zu gehen, verschwinden sie, um etwas anderes auszuprobieren. So laufen sie vor ihrer Chance auf „Erfolg“ – besser auf Entwicklung – in der Meditation (und vor dem eigenen Kennenlernen) zielstrebig davon.

Oder um nochmals Zen- Meister Suzuki zu zitieren:

„Im Anfänger-Geist gibt es keinen Gedanken: ,Ich habe etwas erreicht.‘ Wenn wir nicht daran denken, etwas zu erreichen, nicht an uns selbst denken, sind wir wahre Anfänger. Dann können wir wirklich etwas lernen.“

Darum: dran bleiben …. im Anfängergeist!

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2 Antworten zu Anfängergeist

  1. Stefanie Becker sagt:

    Guten Tag,

    gerne würde ich meinem Mann einen Gutschein für Probestunde schenken. Er interessiert sich sehr für das Thema. Ist das möglich? Finden zur Zeit überhaupt Veranstaltungen statt?

    Vielen Dank für Ihre Rückmeldung 🙂

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