Sitzen ist nicht das Warten auf das Aufstehen

Sitzen mehr als warten auf aufstehen

Sitzen ist mehr als das Warten bis zum Aufstehen

Wenn wir sitzen – zum Beispiel in der Meditation – sitzen wir dann und warten auf das Aufstehen? Wenn wir zuhören, hören wir dann wirklich zu? Oder warten wir nur auf die Pause um unsere eigene Gedanken mitzuteilen?

Sitzen ist nicht das Warten auf das Aufstehen

Eine Sache wirklich tun und die gleiche Sache nur auszuhalten, bis etwas anderes beginnt, das sind ganz unterschiedliche Dinge. Wenn man sich zum Anhalten hinsetzt, nur um die Zeit bis zum Aufstehen zu füllen. Dann werden die Gedanken bei der Zeit nach dem Aufstehen sein. Was werde ich dann machen? Dies und das sind noch zu erledigen. Ich werde noch mit XY telefonieren.

Unsere Gedanken führen uns dann aus dem Moment heraus. Wir sind nicht mehr mit dem, was wir gerade machen – sitzen. Die Konsequenz? Im Moment Sein und Wahrnehmung sind eng miteinander verknüpft. Wahrnehmung ist nur im Jetzt, in der Gegenwart, im Moment möglich. Ich kann nicht, ich kann mich nicht wahrnehmen, wenn ich mit dem Geist in der Zukunft oder der Vergangenheit bin.

Mir entgeht dann gerade das, was jetzt im Moment in mir geschieht, in mir los ist, in mir präsent ist. War das aber nicht die Idee das herauszufinden, als ich mich hinsetzte? Wenn ich aus dem Moment falle, in Gedanken bin, wenig oder keine Wahrnehmung aus dem Moment heraus habe, dann schneide ich mich ab von den Fragen:

Was ist gerade mit oder in mir los? Welche Stimmungen – Freude, Trauer, Angst, Langweile, Unruhe, … – sind da gerade? Wie geht es mir? Was ist jetzt wichtig?

Es kann dann auch kein Raum entstehen, in dem sich wie in einer aufgewirbelten Schneekugel langsam Klarheit einstellt, Problemlösungen (Kreativität) entstehen oder wir Zugriff auf unsere Intuition bekommen. Dann ist das Sitzen nur ein Warten auf das Aufstehen.

Im anderen Fall lasse ich mich vollständig auf das Sitzen, auf den Moment ein. Gehe vollkommen in diese Tätigkeit und in das Spüren dessen, was den Moment ausmacht. Das öffnet den Raum für die Wahrnehmung: Was ist da los mit und in mir? Wie geht es mir? Was steht an? Wer sitzt hier?

Zuhören ist nicht das Warten bis ich etwas sagen kann

So ist es auch beim Zuhören. Bin ich wirklich interessiert daran herauszufinden, was mein Gegenüber mir erzählt? Was ihn bewegt? Wie er seine Geschichte empfindet? – Oder bin ich bereits bei den ersten Stichworten beim Suchen in mir, was meine Geschichte dazu ist? Redewendungen, die den Erzählenden unterbrechen beginnen dann oft so: „Ja, das kenne ich. Bei mir ist es genauso.“ „Ich habe das Gleiche erlebt.“

Wir gehen schon bei den ersten Stichworten davon aus, dass wir wissen, wovon uns der Andere erzählt. Eigentlich ist das Zuhören, das Einlassen auf den anderen, das Erkunden dessen, was ihn bewegt, dann schon längst zu Ende. Wir sind bei uns, unseren Bewertungen und unserer Geschichte. Wir bekommen dann bereits nicht mehr mit, was genau das ist, was unser Gegenüber erzählt, was das Besondere daran ist, was ihn bewegt.

Zuhören ist anders. Da sind wir – wieder im Moment – diesmal mit unserer Aufmerksamkeit und Wahrnehmung bei dem Anderen und dem was er mit seinen Worten, Gesten, seiner Mimik erzählt. Mit unserer Wahrnehmung darauf schaffen wir erst die Basis für Empathie und begreifen, was der andere uns wirklich erzählt.

Das ist der Unterschied zwischen Zuhören und Abwarten bis ich sprechen kann.

Sind diese Kompetenzen gefragt?

Mhm. Es scheint nicht wirklich so. Zeiten zum Innehalten in denen keine Aktivität und kein produktives Ergebnis im Außen sichtbar sind, scheinen im (Berufs-)Alltag keine Wertschätzung zu haben. Und in Gesprächen gilt es, schnell auf den Punkt zu kommen. Vielleicht sogar um einen Wettkampf, wer seine Sicht, seine Argumente schneller in einer Diskussion verankern kann.

Ein neues Zauberwort – Agilität – wird überall herumgereicht. Es soll uns auffordern auf alles gleich eine Antwort zu haben, zu reagieren und unser bisheriges Tun anzupassen. Auch da wandert unsere Aufmerksamkeit auf ein schnelles Anknüpfen an das, was von außen kommt.

Mir erscheint da gerade das Innehalten, das sich Setzen um zu sitzen und das Zuhören wie ein notwendiger Gegenpol zu mehr Tempo, Aktionismus mehr Komplexität in unserem Tun und der Illusion, dass wir alles bereits wissen, was zu tun ist.

Sitzen mit voller Aufmerksamkeit und großer Wahrnehmung. Danach Aufstehen und handeln. Zuhören und herausfinden, was der andere sagt und sagen möchte. Erst dann das Mitgeteilte mit unserer Sicht gegenüberstellen. Der Moment erschließt die Antworten.

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