Gedanken

Gedanken - mindfull oder mind full

Gedanken

„Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ hat der französische Schriftsteller Francis Picabia gesagt. Doch was macht es für einen Unterschied, ob die Gedanken sich im oder gegen den Uhrzeigersinn drehen, wenn sie sich ständig wiederholen?

Gedanken

Wir halten den Kopf für unseren wichtigsten Körperteil und sind so verliebt in unsere Fähigkeit zu denken, dass uns gar nicht auffällt, dass der Inhalt unserer Gedanken nicht immer genial ist. Unaufhörlich produzieren wir Gedanken, denken immer wieder dieselben Gedanken. Am Tag zwischen 12.000 und 50.000 Gedanken. Eine ganze Menge, nicht? 95% davon sind immer wieder die gleichen. Sie haben das Verfalldatum längst überschritten und verbreiten einen leicht modrigen Geruch.

Etwa die Hälfte unserer Zeit – 47% wie eine Studie erbrachte – verbringen wir in einem Zustand des Mind Wandering. Mind Wandering meint einen zerstreuten Geist, der von einem Ort zum nächsten wandert. Im Zustand des Mind Wandering sind wir mit den Gedanken irgendwo, vielleicht in der Vergangenheit oder der Zukunft, und nicht in der Gegenwart, nicht bei dem, was gerade jetzt und hier um uns herum geschieht. Was diesen konkreten Augenblick ausmacht.

Die Hälfte unserer Zeit bekommen wir nicht, oder nur am Rande, mit, was gerade geschieht. Was heißt das für die Qualität dieser Zeit? Was sagt das aus über das Gespräch, das ich gerade führe und mit meinen Gedanken woanders bin? Was sagt das aus über Aufgabe, die ich ausführe, während ich ganz woanders bin? Was sagt das aus über die Beziehung, vielleicht zu meinem Kind, Partner, Kollegen, Mitarbeiter, wenn ich garnicht wirklich anwesend bin, während ich Zeit mit ihm verbringe?

In uns hat sich die Überzeugung festgesetzt, unser Verstandsgehirn sei das wundervollste Werkzeug, was wir haben. Aber wer sag uns das? Woher kommt diese Überzeugung? … Dieser Gedanken selbst entspringt dem Verstandesgehirn.

Das, was wir mit unserem Verstand machen können, an intellektuellen Gedankengebäuden erreicht haben, ist enorm. Das soll nicht gering geschätzt werden. Unser Verstand ist ein Werkzeug zum Erkenntnisgewinn. Allerdings eben nur eines, nicht das einzige. Da sind noch andere Möglichkeiten des Erkenntnisgewins, jenseits des Denkens.

Manchmal, wenn wir für einen Moment still werden, findet sich eine glänzende, kostbare Perle. Plötzlich ist da ein klarer, kraftvoller Gedanke, der einschlägt wie ein Blitz und gleich wieder verschwindet.

Wer sind wir, wenn wir nicht alles glauben, was wir denken?

Zen fordert uns auf, kopflos zu werden und herauszufinden, wer wir sind, wenn wir nicht alles glauben, was wir denken. Es geht weder darum, den Verstand zu verlieren, noch ihn zu verteufeln. Er ist ein wunderbares Instrument, analysiert, rechnet, bewertet, schlussfolgert, erfindet, verknüpft, stellt infrage, prüft, warnt und hilft uns, im Alltag zurechtzukommen.

Leider ist er schwer zu bändigen, macht sich gern selbstständig und strebt nach der Alleinherrschaft. Er macht nie Feierabend, ist hyperaktiv, quatscht immer dazwischen und fordert permanent Aufmerksamkeit.

Special Guest im eigenen Kopftheater

Wir brauchen den Intellekt, um zu überleben, aber wenn wir in Harmonie mit uns selbst und anderen leben wollen, müssen wir ihn in seine Schranken weisen, indem wir ihn nicht sonderlich beachten. Der erste Schritt ist, uns selbst beim Denken zuzuschauen. Wir sitzen als special guest in unserem eigenen Kopftheater, und statt uns zu applaudieren, sind wir einfach nur dabei, wie wir unser eigenes Drama inszenieren.

Als unbeteiligte Zuschauer nehmen wir wahr, wie eine Gedankenfigur nach der anderen die Bühne betritt und wieder verlässt, manche mit lautem Tamtam, andere zögernd und leise. Wir spüren den Drang, den Gedankenfiguren hinterherzulaufen, sie zurückzuholen auf die Bühne, manche nach vorn zu stellen und andere nach hinten. Doch wir widerstehen sämtlichen Impulsen, uns einzumischen, und bleiben reglos im Zuschauerraum sitzen.

Offene Weite

Nach einer Weile beruhigt sich das Chaos auf der Bühne. Wir vergessen vollkommen, dass wir Zuschauer in unserem eigenen Stück sind, der Raum ist plötzlich offen und weit, bis der Gedanke auftaucht: »Ist das schön, so könnte es ewig weitergehen.« Und schon ist der Raum, der eben noch unbegrenzt schien, wieder eng und verschlossen.

Es braucht Mut, nicht nur auf den Verstand zu setzen. Gedanken, auch wenn sie uns noch so brillant erscheinen, können uns nicht nähren und unseren Wunsch nach Erkenntnis und Tiefe nicht erfüllen. Um wirklich bei uns selbst anzukommen in unserem Leben, müssen wir die Gedankenmauer durchbrechen, das Dahinter erforschen und in die verborgenen Schatzkammern unseres Seins vorstoßen, indem wir uns in der Stille existenziellen Fragen stellen:

Wer bin ich? Was ist Leben? Was ist Tod? Gibt es etwas Unbedingtes in mir?

Und die Antwort darauf nicht in intellektuellen Konzepten suchen, sondern aus der Tiefe der Erfahrung aufsteigen lassen.

Quelle: Das Leben ist ein Geschenk – Weisheit und Wille als Weg – Hinnerk Polenski, eigene Ergänzungen

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2 Antworten zu Gedanken

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