Recht haben – Du glaubst, Du hast Recht?

Recht haben - Was lässt dich glauben, dass du Recht hast?

Recht haben – Was lässt dich glauben, dass du Recht hast?

Recht haben wollen ist oft der Ausgangspunkt von Streit und Missverständnis. Hast du dich jemals gefragt, warum andere Leute die Dinge nicht so sehen wie du? Ist es nicht verblüffend, dass du nicht unbedingt die gleichen Ansichten oder Überzeugungen teilst, auch wenn du z.B. aus der gleichen Familie kommst?

Wahrnehmungen der Realität

„Warum können andere Dinge nicht auf meine Art sehen? Den richtigen Weg erkennen?“ Aber was lässt dich glauben, dass nicht sie Recht haben, sondern du? Die wissenschaftliche Erklärung kommt aus der Kognitionspsychologie; es ist ein mentaler Prozess, den man als Informationsverarbeitung beschreiben kann.

Keine zwei Menschen erleben das Leben auf die gleiche Weise. Als Mensch kommt alles, was du erlebst, durch Sinneswahrnehmung – durch Geschmack, Berührung, Sehen, Hören und Riechen. Aus Sicht der Kognitionspsychologie macht es noch keinen Unterschied, wie Umgebungsreize aufgenommen werden.

Unterschiedlich sind jedoch die Erfahrungen der Menschen, vor deren Hintergrund die Reize entschlüsselt und gefiltert werden. Letztendlich entstehen eine individuelle Wahrnehmung und auch eine individuelle Ausgestaltung der Realität.

Aus psychologischer Sicht hast du deine eigenen inneren Werte, Überzeugungen, Erinnerungen und Emotionen. Mit jedem externen Ereignis, das du erlebst, werden ankommende Informationen durch deine Emotionen, Erinnerungen, Überzeugungen und Werte gefiltert. Wie du dich selbst, andere und die Welt „siehst“, wird durch das, was du erlebt hast oder für wahr hälst, eingefärbt.

Das passiert aber auch bei anderen und deren Wahrnehmungen werden durch deren Emotionen, Erinnerungen, Überzeugungen und Werte eingefärbt. Es wird eine ganz andere Realität für eine andere Person geben, und noch eine andere, und so weiter. Mit anderen Worten: Du siehst die Dinge nicht so, wie sie sind – du siehst die Dinge so, wie du bist.

Interpretation von Informationen und Wahrnehmungen

Du hast dein Verfahren zum Filtern von Informationen und es kann gelinde gesagt als seltsam erscheinen, wenn andere nicht die gleichen Überzeugungen, Gedanken und Meinungen vertreten. Was aber, wenn du auch nur für einen Moment bedenkst, dass deine Wahrnehmungen nur eine Möglichkeit sind und dass es mehrere andere Möglichkeiten gibt, eine Situation zu interpretieren?

In jedem Lebensbereich verteidigen wir Überzeugungen und argumentieren dafür, dass wir Recht haben. Letztendlich wollen wir auch andere dazu bringen, die Dinge auf unsere Weise zu sehen. Dabei verpassen wir manchmal den Punkt, dass es neben dem Recht haben auch faszinierend sein kann andere Standpunkte, Perspektiven und Realitäten andere zu erkennen.

Diese Unterschiede sind es doch, die unseren Geist und unsere Emotionen stimulieren. Ohne Unterschiede wäre das Leben langweilig. Es gäbe keine „Aha“-Momente, wenn man alles wüsste und alle immer Recht haben. Es gäbe keine Inspiration in Form von Kunst, Musik, Poesie, Stil oder Kommunikation.

Umarme den Unterschied

Damit es im Leben Farbe, Textur und viele Töne gibt, müssen wir Kontraste erleben. Für alles, was existiert, gibt es auch das Gegenteil. Man hat uns beigebracht, Unterschiede als Konflikt zu sehen und uns deshalb dagegen zu wehren. Es wird immer Gegensätzliches geben – Tag und Nacht, heiß und kalt, schwarz und weiß.

Deine Freunde wollen an den Strand und du willst in die Berge. Deine Kollegen haben die Grünen gewählt und du die Liberalen. Du glaubst an Gott und deine Freunde sind Atheisten. Es gibt so viele Beispiele dafür, wie sich Menschen voneinander unterscheiden.

Und doch ist es genau das, was die Einzelnen zusammenbringt. Wenn sie eine gemeinsame Basis finden, wo sich jeder gehört fühlt, wo die Überzeugungen jedes Einzelnen gültig sind und wo alle Standpunkte anerkannt werden. Es ist das, was unsere Bindungen stärkt, tiefere Verbindungen schafft und uns selbst das Gefühl gibt, gesehen, gehört, geschätzt und verstanden zu werden.

Eine Übung im “ Recht haben “

Betrachte eine Begebenheit oder ein Ereignis in deinem Leben, wo du glaubtest Recht zu haben und jemand anderes Unrecht hatte. Vielleicht ein Ereignis, welches dich verwirrt oder verärgert hat.

Ohne darüber zu urteilen oder eine Geschichte darum zu erzählen, machen dir Notizen darüber, was passiert ist. So als ob du ein Zuschauer bist, der über das Ereignis berichtet.

Danach bringe in dein Bewusstsein, was du glaubst, was passiert ist und warum.

  • Wie ist die Situation entstanden?
  • Wer war beteiligt?
  • Was waren deine inneren Gedanken während sich das Ereignis zutrug?
  • Was wurde zwischen dir und der/den anderen Person(en) gesagt?
  • Beachte deine Emotionen, die sich einstellten und die Urteile, die entstanden sind.
  • Beachten die Geschichte, die sich in deinem Kopf einstellt und wie diese Geschichte dich in einen negativen Zustand versetzt.

Jetzt frage dich, warum du glaubst, dass deine Gedanken, Meinungen, Überzeugungen oder Erinnerungen richtig sind, während die anderen Personen falsch liegen und nicht Recht haben?

  • Warum glaubst du, dass du in dieser Situation Recht hast? Mach dir ein paar Notizen.

Stell dir vor, du bist die andere Person.

  • Was könnte ihre Motivation sein, das gesagt oder getan zu haben, was sie getan hat?
  • Welches Bedürfnis hatte sie, das sie zu erfüllen versuchte?
  • Welchen guten Grund hatte sie, zu denken, zu sagen, zu glauben oder zu tun, was sie getan hat?
  • Sieh, ob du in die Sichtweise der Welt (Realität …?) der anderen Person einsteigen kannst, um zu verstehen, woher sie möglicherweise kommen könnte. Beachte, was dabei herauskommt.

Jetzt, da du beide Seiten dieser Situation sehen kannst, stelle dir die Frage: „Will ich Recht haben oder will ich Frieden haben?“

  • Beachte, ob du deine Wahrnehmung des Ereignisses oder der Interaktion in einer positiveren Art und Weise sehen kannst.
  • Ist dein Standpunkt es wert, dafür zu kämpfen? Oder möchtest du lieber einen Raum ermöglichen, in dem beide Menschen ihre eigenen Gedanken und Meinungen haben können, ohne dabei die Harmonie zu verlieren?

Welche Maßnahmen könntest du ergreifen oder wie könntest du deine Reaktionen so verändern, dass sich für dich und alle anderen Beteiligten aus dieser Situation heraus ein höheres Potenzial entfaltet?

  • Nehme dir Zeit, dies auf einer tieferen Ebene zu betrachten, und wenn du zu einem Ergebnis gekommen bist, dann ergreife die entsprechenden Maßnahmen.

Es wird im Leben unvermeidlich sein, eigene Grenzen gegenüber anderen klar zu machen und durch zu setzten. Letztendlich wollen wir aber nicht Recht haben, sondern uns verstanden, geschätzt und glücklich fühlen. Zu lernen, eigene Standpunkte und Überzeugungen zu respektieren, während andere ihre eigenen haben, ist für das Zusammenleben in einer Welt, in der jeder Einzelne vollkommen einzigartig ist, sicherlich von großer Bedeutung.

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