Gehirn und Geist

Gehirn und Geist
Gehirn und Geist verändern sich gegenseitig

Gehirn und Geist beeinflussen sich gegenseitig. Wir können unseren Geist nutzen, um das Gehirn zu verändern. Und dadurch wiederum unseren Geist zu verändern. Zum Positiven.

Kaum ein anderer als der Psychologe und Beststellerautour Rick Hanson hat diesen Zusammenhang und wir die natürliche Plastizität des Gehirns nutzen können, besser beschrieben.

Positive Geisteszustände kultivieren

In den letzten haben Forscher begonnen, die neuronalen Grundlagen von Zuständen wie Glück, Dankbarkeit, Resilienz, Liebe, Mitgefühl und so weiter besser zu verstehen. Und ein besseres Verständnis bedeutet, dass wir die neuronalen Substrate dieser Zustände geschickt stimulieren können, was wiederum bedeutet, dass wir sie stärken können. Denn wie der berühmte Spruch des kanadischen Wissenschaftlers Donald Hebb sagt: „Neuronen, die zusammen feuern, verdrahten sich miteinander.“

Letztlich kann das bedeuten, dass wir mit der richtigen Übung – zum Beispiel einer besonderen Ausrichtung der Meditation – unsere neuronalen Mechanismen zunehmend dahingehend beeinflussen können, positive Geisteszustände zu kultivieren.

Aber um zu verstehen, wie das geht, müssen wir drei wichtige Fakten über das Gehirn verstehen.

Wenn sich das Gehirn verändert, verändert sich auch der Geist. – Zum Guten oder zum Schlechten.

Zum Beispiel ist eine höhere Aktivierung der linken Gehirnrinde (linken präfrontalen Kortex) mit positiveren Emotionen verbunden. Wenn also der linke, vordere Teil des Gehirns stärker aktiviert ist als der rechte, ist auch das Wohlbefinden größer. Das liegt wahrscheinlich zu einem großen Teil daran, dass der linke präfrontale Kortex ein wichtiger Teil des Gehirns für die Kontrolle negativer Emotionen ist. Wenn man also das Negative bremst, bekommt man mehr vom Positiven.

Andererseits schütten Menschen, die regelmäßig chronischen Stress erleben das Hormon Cortisol aus, das sich buchstäblich wie ein Säurebad in den Hippocampus frisst. Der Hippocampus ist ein Teil des Gehirns, der sehr stark am visuell-räumlichen Gedächtnis sowie am Gedächtnis für Kontext und Umfeld beteiligt ist.

Zum Beispiel sind Erwachsene, die in der Vergangenheit Stress hatten und bis zu 25 Prozent des Volumens dieses wichtigen Teils des Gehirns verloren haben, weniger in der Lage, neue Erinnerungen zu bilden.

Wir sehen also, dass sich mit der Veränderung des Gehirns auch der Geist verändert. Und das bringt uns zur zweiten Tatsache, bei der die Dinge wirklich interessant werden.

Wenn sich der Geist verändert, verändert sich auch das Gehirn.

Diese Veränderungen geschehen auf vorübergehende und auf dauerhafte Weise. Was die vorübergehenden Veränderungen angeht, so wird der Fluss verschiedener Neurochemikalien im Gehirn immer variieren. Wenn Menschen zum Beispiel bewusst Dankbarkeit praktizieren – eine besondere Ausrichtung in der Meditation – , kommt es zu einem höheren Fluss von belohnungsbezogenen Neurotransmittern wie Dopamin. Die Forschung legt nahe, dass Menschen, die Dankbarkeit praktizieren, eine allgemeine Wachheit und Aufhellung des Geistes erfahren, und das korreliert wahrscheinlich mit mehr des Neurotransmitters Noradrenalin.

Hier ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Veränderungen in der geistigen Aktivität Veränderungen in der neuronalen Aktivität hervorrufen: Wenn junge Menschen, die sehr verliebt sind, ein Bild ihres Liebsten gezeigt bekommen, wird ihr Gehirn im Nucleus caudatus, einem Belohnungszentrum des Gehirns, aktiver. Wenn sich das Gemüt verändert – dieser Rausch der Liebe, dieses tiefe Gefühl von Glück und Belohnung – geht einher mit der Aktivierung eines bestimmten Teils des Gehirns. Wenn sie aufhören, das Bild ihres Liebsten anzuschauen, sinkt die Aktivität des Belohnungszentrums wieder.

Nun kann auch der Geist das Gehirn auf dauerhafte Weise verändern. Mit anderen Worten: Was durch den Geist fließt, formt das Gehirn. Rick Hanson definiere den Geist als den Fluss von immateriellen Informationen durch das Nervensystem. All die Signale, die gesendet werden, von denen die meisten für immer außerhalb des Bewusstseins stattfinden. Während der Geist durch das Gehirn fließt, feuern die Neuronen in bestimmten Mustern zusammen, basierend auf den Informationen, die sie repräsentieren. Diese Muster neuronaler Aktivität verändern die neuronale Struktur, verändern das Gehirn selbst.

So beginnen belebte Regionen des Gehirns, neue Verbindungen miteinander zu knüpfen. Bestehende Verbindungen zwischen aktiven Neuronen (Synapsen) werden stärker. Sie werden empfindlicher, sie beginnen, mehr Rezeptoren auszubilden. Es bilden sich auch neue Synapsen.

Eine Studie, die das sehr deutlich macht, beschäftigt sich mit Taxifahrern in London. Um dort eine Taxilizenz zu bekommen, muss man sich die spaghettiartigen Straßen Londons einprägen. Nun, am Ende des Trainings der Fahrer ist der Hippocampus ihres Gehirns – ein Teil, der sehr stark am visuell-räumlichen Gedächtnis beteiligt ist – messbar dicker. Mit anderen Worten: Neuronen, die zusammen feuern, verdrahten sich, und zwar so stark, dass sie erkennbar dicker sind.

Dies wurde auch bei Meditierenden festgestellt. Menschen, die eine regelmäßige Meditations-Praxis ausüben, haben tatsächlich messbar dickere und dichtere Gehirne in bestimmten Schlüsselregionen. Eine dieser Regionen ist die Insula, die an der so genannten „Interozeption“ beteiligt ist, dem Einfühlen in den Zustand des eigenen Körpers und in tiefe Gefühle. Das sollte keine Überraschung sein: Vieles von dem, was Meditierende tun, ist das Üben von Achtsamkeit beim Atmen, das wirklich präsent bleiben mit dem, was in ihrem Inneren vor sich geht. Kein Wunder, dass sie die Insula benutzen und daher aufbauen.

Eine weitere Region sind die frontalen Bereiche der Gehirnrinde (präfrontalen Kortex). Es sind Bereiche, die an der Kontrolle der Aufmerksamkeit beteiligt sind. Auch dies sollte keine Überraschung sein: Meditierende fokussieren ihre Aufmerksamkeit in ihrer Meditation, also bekommen sie mehr Kontrolle darüber und stärken ihre neuronale Basis.

Darüber hinaus hat die Forschung auch gezeigt, dass es möglich ist, den Verlust unserer Gehirnzellen zu verlangsamen. Normalerweise verlieren wir etwa 10.000 Gehirnzellen pro Tag. Das mag schrecklich klingen. Wir wurden allerdings mit 1,1 Billionen geboren. Außerdem werden jeden Tag neue Zellen gebildet (Neurogenese), vor allem im Hippocampus. Der Verlust von 10.000 pro Tag ist also keine große Sache, aber unterm Strich hat ein typischer 80-Jähriger einige Prozent seiner Gehirnmasse verloren, was man „kortikale Ausdünnung im Alter“ nennt. Das ist ein normaler Prozess.

In Studien haben Forscher Meditierende und Nicht-Meditierende verglichen. Es wurden jeweils Menschen im gleichen Alter gegenübergestellt. Die Nicht-Meditierenden hatten eine normale kortikale Ausdünnung in den beiden oben erwähnten Hirnregionen, zusammen mit einer dritten, dem somatosensorischen Kortex.

Die Menschen, die routinemäßig meditierten und ihr Gehirn dadurch „trainierten“, erlebten jedoch keine kortikale Ausdünnung in diesen Regionen.

Das hat eine große Bedeutung für eine alternde Bevölkerung: Use it or lose it, was sowohl für das Gehirn als auch für andere Aspekte des Lebens gilt.

Das unterstreicht einen wichtigen Punkt: Erfahrungen sind wirklich wichtig. Es geht nicht nur um unser momentanes Wohlbefinden, also wie es sich anfühlt, ich zu sein. Sondern es geht um die bleibenden Spuren, die diese hinterlassen und die in unser Wesen eingewoben sind.

Das bringt uns zur dritten Tatsache, die die größte praktische Bedeutung hat.

Du kannst den Geist nutzen, um das Gehirn zu verändern, um den Geist zum Besseren zu verändern.

Dies ist als „selbstgesteuerte Neuroplastizität“ bekannt. Neuroplastizität bezieht sich auf die formbare Natur des Gehirns. Sie geschieht ständig und kontinuierlich. Selbstgesteuerte Neuroplastizität bedeutet, es mit Klarheit, Können und Intention zu tun.

Der Schlüssel dazu ist ein kontrollierter Einsatz von Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist wie ein Scheinwerfer, der auf die Dinge in unserem Bewusstsein leuchtet. Aber sie ist auch wie ein Staubsauger, der alles, worauf er ruht, in das Gehirn saugt. Im Guten wie im Schlechten.

Wenn wir zum Beispiel unsere Aufmerksamkeit routinemäßig auf das richten, was wir ablehnen oder bedauern, unseren Ärger, unseren lausigen Mitbewohner oder Kollegen, den Stau, … dann werden wir die neuralen Substrate dieser Gedanken und Gefühle aufbauen.

Wenn wir dagegen unsere Aufmerksamkeit auf die Dinge richten, für die wir dankbar sind, auf die Segnungen in unserem Leben, auf die gesunden Qualitäten in uns selbst und in der Welt um uns herum, die Dinge, die wir erledigt haben, von denen die meisten ziemlich klein sind, aber dennoch Leistungen und Erfolge darstellen, dann bauen wir ganz andere neuronale Substrate auf.

Das ist der Grund, warum William James, der Vater der amerikanischen Psychologie, vor mehr als 100 Jahren, sagte. „Die Erziehung der Aufmerksamkeit ist eine Erziehung par excellence.“

Das Problem ist natürlich, dass die meisten Menschen ihre Aufmerksamkeit nicht sehr gut kontrollieren können. Das liegt zum Teil an der menschlichen Natur, die durch die Evolution geprägt wurde: Die Vorfahren, die sich nur auf den Regenbogen und den schönen Sonnenuntergang konzentriert hatten, wurden von Raubtieren gefressen. Aber diejenigen, die ständig wachsam und vorsichtig waren lebten.

Und heute werden wir ständig mit Reizen bombardiert, für die sich das Gehirn nicht entwickelt hat. Es ist also sehr wichtig, auf die eine oder andere Weise mehr Kontrolle über die Aufmerksamkeit zu erlangen. Sei es zum Beispiel durch Meditation, die Praxis der Achtsamkeit oder durch Dankbarkeitsübungen, bei denen wir uns unsere Segnungen bewusst machen. Das sind großartige Möglichkeiten, um die Kontrolle über deine Aufmerksamkeit zu erlangen, weil du dich dann für 30 Sekunden oder 30 Minuten wieder auf ein Objekt der Aufmerksamkeit konzentrieren kannst.

Das Gute in sich aufnehmen

Eine der besten Methoden, um den Geist bewusst einzusetzen und das Gehirn mit der Zeit zum Besseren zu verändern: das Gute aufnehmen.

Nur positive Erfahrungen zu machen reicht nicht aus, um das Wohlbefinden zu fördern. Wenn jemand sich für ein paar Sekunden dankbar fühlt, ist das schön. Das ist besser, als sich ein paar Sekunden lang nachtragend oder verbittert zu fühlen. Aber um diese Erfahrung wirklich im Gehirn zu verankern, müssen wir länger bei diesen Erfahrungen verweilen. Wir müssen bewusst Schritte unternehmen, um den Fokus der Aufmerksamkeit auf das Positive zu richten.

Wie machen wir das also konkret? Um das Gute, das Positive in sich aufzunehmen sind 3 Schritte hilfreich:

1. Lasse eine positive Begebenheit zu einer guten Erfahrung werden.

Oft gehen wir durch das Leben und irgendeine gute Sache passiert. Eine Kleinigkeit, wie zum Beispiel, dass wir eine Aufgabe auf unserer To-Do-Liste abgehakt haben, dass wir einen schwierigen Tag auf der Arbeit überstanden haben, dass die Blumen blühen und so weiter. Das ist eine Gelegenheit, sich gut zu fühlen. Lass‘ diese Gelegenheit nicht ungenutzt vorüberziehen. Erkenne, dass dies eine Gelegenheit ist, sich wirklich gut zu fühlen.

2. Genieße diese positive Erfahrung wirklich.

Mache das so intensiv wie möglich. Finde heraus, wo in deinem Körper du dies spüren, wahrnehmen kannst. In welchen Teilen deines Körpers kannst du diese kleine Freude spüren. Welche Gefühle stellen sich dabei ein? Mache das so körperlich, so intensiv und so lange wie möglich.

3. Während du diese positive Erfahrung in dich einsinken lässt, mache dir die Intention dazu bewusst.

Die Absicht diese Erfahrung – vielleicht wie einen kleinen Schatz – in dir aufzubewahren. Manche benutzen dazu Visualisierungen, z.B. die Erfahrung wie ein kleiner, funkelnder Edelstein in eine innere Schatzkiste zu legen. So wird diese einzelne positive Erfahrung – und noch mehr die ganze Schatzkiste – zu einer Ressource, die du immer dabeihaben wirst.

Gehirn und Geist, sehr vereinfacht Hardware und Software, sind nicht unabhängig voneinander. Sie beeinflussen und verändern sich gegenseitig. Wir können durch unseren Geist unser Gehirn beeinflussen, Teilbereiche in ihrer Leistungsfähigkeit stärken, physisch verändern. Und dadurch verändert sich dann auch wieder unser Geist. Es ist allerdings wichtig, dieser Veränderungen von Gehirn und Geist eine gute Richtung vorzugeben.

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